3.3.4. Der Arzt als Mitglied eines Teams
Holger Pfaff 2
1 Abteilung Organisationsbezogene Versorgungsforschung, Department für Versorgungsforschung, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Oldenburg, Germany
2 Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR), Universität zu Köln, Köln, Germany
3.3.4.1. Wieso Teamarbeit in der Patientenversorgung?
Die Patientenversorgung in Versorgungsorganisationen wie z.B. einem Krankenhaus ist traditionell stark nach Professionen1 und Fachdisziplinen (z.B. Kardiologie) organisiert und hierarchisch geprägt. Zudem haben wir es mit einer Arbeitsteilung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung sowie zwischen Allgemein- und Fachärzten zu tun. In einem Krankenhaus existieren darüber hinaus zumeist Hierarchien in drei Bereichen: Verwaltung, Pflege und ärztlicher Dienst. Diese Arbeitsteilung erzeugt hohe Kompetenz in den Einzelfeldern. Eine hochwertige Patientenversorgung erfordert jedoch zusätzlich eine enge Zusammenarbeit zwischen Professionen, Disziplinen, Hierarchien und Versorgungssegmenten. Der Arzt soll daher immer mehr zum Teamplayer werden und auf die Ausübung dieser Rolle in der Medizinerausbildung vorbereitet werden.
Formen der Zusammenarbeit
Eine einfache Form der Zusammenarbeit ist der wechselseitige Austausch beispielsweise von Erfahrungen in der Behandlung von Patienten zwischen Ärzten und Pflegekräften. Hierzu bedarf es jedoch keines Teams. Eine intensivere Form der Zusammenarbeit ist die Unterstützung einer Person oder Personengruppe durch andere. Hier wird entweder eine Dienstleistung, z.B. die Durchführung von Röntgenaufnahmen, oder Wissen bereitgestellt, z.B. bei der Interpretation bestimmter Laborwerte. Auch dies stellt keine Teamarbeit im engeren Sinne dar. Bearbeiten dagegen Personen derselben oder unterschiedlicher Disziplinen und Professionen eine gemeinsame Aufgabe und verfolgen ein gemeinsames Ziel, spricht man von Teamarbeit [2]. Als klassisches Beispiel soll die Durchführung von Operationen angeführt werden, bei der der Chirurg, der Anästhesist und die Pflegekraft zusammenarbeiten, um ein gutes Operationsergebnis zu erzielen. Durch die immer stärker fortschreitende Ausdifferenzierung der medizinischen, pflegerischen und therapeutischen Disziplinen und die hohe Spezialisierung des Wissens kommt der interprofessionellen Teamarbeit eine immer größere Bedeutung zu. Nach Antoni bedeutet Teamarbeit in der Patientenversorgung, dass „mehrere Personen gemeinsam und arbeitsteilig eine Arbeitsaufgabe, wie die Operation oder Pflege eines Patienten, bearbeiten, um ein gemeinsames Ziel, wie beispielsweise die Genesung eines Patienten unter Einhaltung des Kostenbudgets, zu erreichen“ ([2], S. 19).
In der Patientenversorgung bestimmt die Arbeitsaufgabe des Teams wesentlich, welche Professionen und Fachdisziplinen zusammenarbeiten müssen, um das Ziel zu erreichen. Teams in der Patientenversorgung können sich spontan bilden und nur kurzfristig zusammenarbeiten oder langfristig eine gemeinsame Aufgabe bearbeiten. Teams können eine eigenständige organisatorische Einheit mit relativ stabiler Zusammensetzung sein (z.B. ein wöchentliches Tumorboard) oder nur temporär zusammenarbeiten (z.B. ein Operationsteam).
Der Nutzen von Teamarbeit
Der Nutzen von Teamarbeit in der Patientenversorgung wurde vielfach nachgewiesen. Zum Zusammenhang zwischen Teamarbeit und Patientensicherheit beispielsweise liegen zahlreiche Studien vor. So zeigen Untersuchungen in Operationssälen, Intensivstationen, Notaufnahmen sowie Trauma- und Reanimationsteams, dass die Qualität der Teamarbeit mit der Verursachung und der Vermeidung von kritischen Ereignissen (z.B. Operationsfehlern und Komplikationen) zusammenhängt. Eine Literatursichtung identifizierte fünf Dimensionen der Qualität von Teamarbeit, die für die Versorgungsqualität und Patientensicherheit besonders relevant erscheinen:
- Qualität der sozialen Beziehungen, z.B. gegenseitiger Respekt und Vertrauen,
- gemeinsames mentales Modell, z.B. gemeinsame Ziele, gemeinsames Verständnis der Teamstruktur, -aufgaben und -rollen,
- adaptive Koordination, z.B. zunehmender Informationsaustausch und Planung in kritischen Situationen, veränderte Aufgabenteilung bei Hinzukommen neuer Teammitglieder,
- Kommunikation, z.B. offene Kommunikation, regelmäßige Teambesprechungen,
- Führung, z.B. wertschätzender und partizipativer Führungsstil, stärkeres Führungsverhalten in kritischen Situationen.
Was bringen Teams in der Patientenversorgung?
In der hochspezialisierten medizinischen Versorgung sind verschiedene Formen der Zusammenarbeit möglich. Vielversprechende Formen sind die multidisziplinäre, interdisziplinäre und transdisziplinäre Zusammenarbeit (zur Unterscheidung der Begriffe siehe Kapitel 4.4.), also die Zusammenarbeit unterschiedlicher Disziplinen zur Untersuchung und Lösung eines Problems. Die Versorgung von chronisch und schwer kranken Patienten ist komplex und erfordert die Zusammenarbeit von vielen an der Diagnose und Behandlung beteiligten Disziplinen in Teams. Viele Ärzte, Therapeuten und Pflegekräfte sind mittlerweile in die Versorgung in Teams eingebunden. Teamarbeit ist in vielen Bereichen zum Standard geworden (z.B. morgendliche Teammeetings, multidisziplinäre Teams in der Rehabilitation).
Beispiel Onkologie
Ein Vorreiter in Sachen multidisziplinärer Versorgung ist die Onkologie. Ein Beispiel dafür ist der Aufbau onkologischer Zentren, in denen die Kompetenzen verschiedener Disziplinen gebündelt werden, um eine bestmögliche Patientenversorgung zu gewährleisten. Mittlerweile belegen viele Studien die Vorteile von multidisziplinärer Versorgung in der Onkologie. Diese liegen z.B. in einer optimierten evidenzbasierten Therapieplanung, in verbesserten Versorgungsabläufen und einer besseren Kommunikation zwischen den Versorgern. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Patient sicher sein kann, dass die Versorger zu seinem Wohl zusammenarbeiten und gemeinsam Therapieoptionen diskutieren. Einige Studien weisen auf einen Anstieg der Überlebensrate bei Patienten hin, jedoch ist die Evidenz in diesem Punkt noch nicht ausreichend vorhanden.
Als Anschauungsbeispiel für multidisziplinäre Teamarbeit in der Versorgung sollen im Folgenden multidisziplinäre Tumorkonferenzen dienen. Solche Tumorkonferenzen sind regelmäßige Treffen innerhalb eines multidisziplinären Behandlungsteams, in denen die Diagnose und Behandlung von Krebspatienten diskutiert werden und die Behandlungsstrategie entwickelt wird. Die zum Behandlungsteam gehörenden Disziplinen werden dabei sehr unterschiedlich definiert [3]. Häufig nehmen neben den ärztlichen Fachdisziplinen wie der Pathologie, Radiologie, Onkologie und Chirurgie auch Pflegepersonal, Sozialarbeiter oder Psychoonkologen an der Tumorkonferenz teil.
Die hohe Arbeitsteilung und Spezialisierung in der Krankenversorgung macht es zunehmend notwendig, in interprofessionellen Teams zu arbeiten, damit die unterschiedlichen Kompetenzen zum Wohle des Patienten eingesetzt werden können.
3.3.4.2. Was ist ein Team?
Der beinahe inflationäre Gebrauch des Begriffs ‚Team‘ in der Versorgung legt nahe, dass es eine allgemeine, einheitliche Definition nicht gibt. Eine einfache Definition besagt, dass ein ‚Team‘ einen „Zusammenschluss von mehreren Personen zur Lösung einer bestimmten Aufgabe oder zur Erreichung eines bestimmten Ziels bezeichnet“ ([4], S. 6). Synonym zum Teambegriff werden oftmals die Begriffe ‚Gruppe‘ oder ‚Arbeitsgruppe‘ verwendet. Da mit dem Begriff ‚Team‘ besondere Merkmale verbunden sind, sollen die drei Begriffe hier voneinander abgegrenzt werden. Eine Gruppe kann ein Interaktionssystem von Menschen mit einem verbindenden Wertesystem und eigenem Gruppengefühl und -bewusstsein sein [5]. Darunter würde auch eine Selbsthilfegruppe oder eine Bürgerinitiative fallen. Der abgewandelte Begriff ‚Arbeitsgruppe‘ besagt, dass eine Gruppe von Mitarbeitern eine klar definierte Aufgabenstellung unter Nutzung institutioneller Ressourcen (z.B. Freistellung von Personal, Verfügbarkeit eines Budgets) bewältigt (z.B. Arbeitsgruppe zur Organisation eines Patienteninformationstages im Krankenhaus) [5]. Man geht davon aus, dass sich prinzipiell erst mit der Zeit aus einer Arbeitsgruppe in einem Projekt ein ‚echtes‘ Team entwickelt. Ein Team erkennt man an folgenden Merkmalen, die von Mabey und Caird 1999 [6] definiert worden sind:
- Ein Team hat mindestens zwei Mitglieder.
- Die Mitglieder tragen zur Erreichung der Teamziele mit ihren jeweiligen Kompetenzen und den daraus entstehenden gegenseitigen Abhängigkeiten bei.
- Das Team hat eine Teamidentität, die sich von den individuellen Identitäten der Mitglieder unterscheidet.
- Das Team hat Kommunikationspfade sowohl innerhalb des Teams als auch zur Außenwelt entwickelt.
- Die Struktur des Teams ist aufgaben- und zielorientiert beschrieben.
- Das Team überprüft periodisch seine Effizienz.
Der Patient als Teammitglied?
Im Kontext der Patientenversorgung stellt sich die Frage, ob der Patient auch Teil des Teams ist, da er bzw. sie an der Versorgung mitwirken muss, damit sie gelingt. Streng genommen gehört der Patient aus betrieblicher Sicht nicht zum Team, da er Kunde ist. Aber in diesem Zusammenhang kommt der Idee der gemeinsamen Entscheidungsfindung zwischen Arzt und Patient (engl. Shared Decision Making) eine besondere Bedeutung zu. Sie erfordert, dass der Patient über Vor- und Nachteile von Therapieoptionen informiert wird und gemeinsam mit dem Arzt und unter Beachtung seiner bzw. ihrer Präferenzen und Wünsche eine Entscheidung trifft (vgl. Kapitel 4.2.2. und Kapitel 4.3.5.). Wird der Patient auf eine Art und Weise einbezogen, dass er wie die übrigen professionellen Teammitglieder über seine Behandlung mitentscheiden kann, verschwimmen die Grenzen zwischen Team und Kunde. Der Patient könnte in diesem Fall als temporäres Mitglied des Teams betrachtet werden.
Unter einem Team verstehen wir hier einen strukturierten Zusammenschluss von mehreren Personen mit unterschiedlichen Kompetenzen und einer Gruppenidentität zur Lösung einer bestimmten Aufgabe.
3.3.4.3. Wie entsteht ein Team?
Wie bereits erwähnt, wird erst mit der Zeit aus einer Arbeitsgruppe ein gut funktionierendes Team, so auch in der Versorgung. Katzenbach und Smith [7] haben verschiedene Arten von Teams herausgearbeitet. In ihrer ‚Team-Leistungskurve‘ wird die Leistungskraft dem Ausmaß der genutzten Ressourcen gegenübergestellt, um verschiedene Arten von Teams zu unterscheiden.
Eine ‚Arbeitsgruppe‘ zeichnet sich durch eine starke Orientierung am Gruppenleiter (z.B. Oberarzt) und durch die Betonung der individuellen Rollen, Fähigkeiten, Aufgaben und Arbeitsleistungen sowie durch die positionsbezogene Einzelverantwortlichkeit aus.
Das ‚Pseudo-Team‘ besitzt die schwächste Leistungskraft aller Teams, wobei die Gesamtleistung des Pseudo-Teams sogar geringer ist als die Summe der Einzelleistungen der Mitglieder. Ernsthafte Bemühungen um eine Gemeinschaftsleistung und das Interesse an der Festlegung gemeinsamer Ziele und Lösungen bleiben aus.
Das ‚potentielle Team‘ ist sich bewusst, dass es seine Leistungen verbessern muss und bemüht sich darum. Dennoch hat sich in solchen Teams noch keine gemeinschaftliche Teamverantwortung für die Arbeitsergebnisse entwickelt.
Das ‚echte Team‘ zeichnet sich durch eine Leistungsorientierung, die Hervorhebung gemeinsamer und/oder komplementärer Fähigkeiten und gemeinsamer Arbeitsprodukte und eine gemeinsame Verantwortlichkeit für die Ergebnisse aus. Dies erfordert auf der anderen Seite einen vergleichsweise großen Handlungsspielraum (Autonomie) und die Fähigkeit zur Selbstorganisation und ‚Pflege‘ des Teams.
Das ‚Hochleistungs-Team‘ ist gekennzeichnet durch ein außergewöhnlich starkes persönliches Engagement der Mitglieder für die persönliche Entwicklung, das Wachstum und den Erfolg der anderen Mitglieder – auf der Grundlage einer gegenseitigen tragfähigen Vertrauensbasis. Das Hochleistungs-Team erreicht die höchste Leistungskraft und setzt dafür die meisten Ressourcen ein.
Bei allen Vorteilen der Teamarbeit sollte nicht übersehen werden, dass die Teamarbeit auch Risiken birgt. Risiken können in Form zum Beispiel eines tief verwurzelten Individualismus oder eines individuellen Widerstrebens, sich von der Leistung anderer abhängig zu machen, gegeben sein. In diesem Fall verlangt die Entscheidung für das Team einen ‚Sprung ins kalte Wasser' [5], [7]. Dies birgt die Gefahr, dass eine Arbeitsgruppe vorschnell als Team agiert, ohne die Minimal-Kriterien dafür zu erfüllen, z.B. gemeinsame Ziele zu vereinbaren und gemeinsame Arbeitsergebnisse zu erreichen (z.B. ‚Pseudo-Team‘). Die Team-Mitglieder behindern sich dann gegenseitig, weil jedes Mitglied seine individuellen Ziele verfolgt. Die Aufrechterhaltung eines solchen Teams bindet Ressourcen, die nicht anderweitig eingesetzt werden können (z.B. Zeit; aufwendige Konsensprozesse) und geht letztlich auf Kosten der Gesamtleistung.
Ein Team ist unter systemischer Perspektive als ein eigenes soziales System zu betrachten – mit Teameigenschaften wie z.B. Strukturen, Leistungen, Vertrauen. Das Team arbeitet im Idealfall im Sinne der Zielsetzung der Organisation und wird dafür mit Ressourcen von Seiten der Organisation ausgestattet. Teams sind somit Entitäten, die zwischen der formalen Organisationsebene (z.B. Klinik, Station) und dem individuellen Mitarbeiter einzuordnen sind [8].
Nicht jede Teamarbeit verspricht Erfolg. Man kann verschiedene Typen von Teams unterscheiden. Lediglich der Typus des echten Teams und der Typus des Hochleistungsteams versprechen eine hohe Teamleistung.
3.3.4.4. Entwicklungsphasen von Teams
Gruppen durchlaufen nach der Theorie der Gruppenentwicklung (im Folgenden: Teamentwicklung) von Tuckman und Jensen [9] fünf klar definierte Entwicklungsphasen. Die Phasen werden mit den Begriffen forming, storming, norming, performing und adjourning bezeichnet [10] (Abbildung 1). Es gibt Teams, die alle Phasen durchlaufen, andere Teams bleiben in der Mitte des Prozesses hängen und wieder andere Teams fallen zurück in die bereits durchlaufenen Phasen. Für eine effektive Teamarbeit ist das vollständige Durchlaufen der Phasen notwendig.
Forming: Dies ist die Orientierungsphase, in der die Teammitglieder sich zusammenfinden und sich kennenlernen. Hierbei testen die Mitglieder Regeln und Grenzen aus. Sie „akklimatisieren“ sich. Die Phase ist durch Unklarheit und eine geringe Leistungsfähigkeit geprägt. Die Mitglieder benötigen in dieser Phase eine Leitung, die sie mit Strukturen, z.B. Grundregeln und einer Agenda, versorgt.
Storming: Dies ist eine Konfliktphase und kann für die Mitglieder unangenehm sein. Die Mitglieder verhandeln die Ziele des Teams, die durchaus im Konflikt mit den individuellen Zielen stehen können. Zielkonflikte zwischen den Mitgliedern können zu Feindseligkeit und Abwehr führen. Es bedarf eines guten Umgangs mit Konflikten und einer guten Organisation zum Erreichen der Gruppenziele.
Norming: In dieser Phase (Phase der Kohäsion) wird die gemeinsame Arbeitsweise ausgehandelt, und es bilden sich engere Beziehungen und Kameradschaft. Es wird ausgehandelt, wer was wie erledigt, und es werden Verhaltensregeln aufgestellt (formell und informell) und Rollen verteilt. Die Mitglieder empfinden ein Zusammengehörigkeitsgefühl und können Konflikte hinter sich lassen. Der Informationsaustausch nimmt zu.
Performing: Nachdem sich das Team „zusammengerauft“ hat, kann die Energie nun in die gemeinsame Arbeit gelenkt werden. Durch das Festlegen von effektiven Teamstrukturen können Aufgaben nun ausgeführt werden, um die Teamziele zu erreichen. Die Teammitglieder entwickeln gegenseitige Abhängigkeiten, und die Kooperation gelingt. Die Mitglieder entwickeln starkes Engagement hinsichtlich der Zielerreichung. Die Arbeitsteilung ist definiert, und es gibt Problemlösungskapazitäten.
Adjourning: Wenn es sich nicht um ein dauerhaft agierendes Team handelt, kann sich das Team in der letzten Phase auflösen. Das Team reflektiert die gemeinsame Zeit sowie die gemeinsame Leistung, und die Mitglieder machen sich bereit dazu, wieder ihre eigenen Wege zu gehen.
Das Phasenmodell von Tuckman und Jensen liefert Erklärungen für Probleme in der Teamarbeit. Ein Team arbeitet vielleicht nur mit halber Energie, da es Entwicklungsschritte aus vorherigen Phasen nicht überwunden hat, z.B. mangelnde Zielklarheit. Es ist ein weiter Weg zu einem gut funktionierenden Team. Dazu müssen meist bestimmte Entwicklungsphasen durchlaufen werden. Ein Überspringen von Entwicklungsphasen kann zu Problemen in der Teamentwicklung fördern.
3.3.4.5. Teamentwicklung als geplante Fördermaßnahme
Ein Arzt als Mitglied oder Leitung eines Versorgungsteams kann sich die Frage stellen, wie eine effektive vertrauensvolle Teamarbeit planvoll gefördert werden kann. Diese Frage stellt sich vor allem dann, wenn es Probleme beim Durchlaufen der zuvor aufgezeigten Phasen gibt. Die Teamentwicklung als Maßnahme der Organisationsentwicklung kann hier hilfreiche Instrumente anbieten (siehe auch Kapitel 4.4.). Im Folgenden sollen einige Grundgedanken zusammengetragen werden, die für die Umsetzung von Teamentwicklung zentral sind.
Die Ziele der Teamentwicklung lassen sich in fünf Hauptziele unterteilen [5]:
- Entwicklung und Vereinbarung verbindlicher Grundlagen und Regeln zur Strukturierung der Gruppe und zur Organisation der Zusammenarbeit,
- Entwicklung der Beziehungen zwischen Personen oder Gruppen,
- Entwicklung von Arbeitstechniken und Vorgehensweisen, die für eine effiziente Teamarbeit notwendig sind,
- Entwicklung sozialer Fähigkeiten und Fertigkeiten bei den Teammitgliedern,
- Befähigung des Teams und seiner Mitglieder zum Erkennen und Steuern gruppendynamischer Prozesse.
Wie weiter oben beschrieben, ist die Entwicklung hin zu einem Team als Prozess zu sehen, in dem verschiedene Entwicklungsphasen durchlaufen werden sollten (Abbildung 1). Die Teamentwicklung als Organisationsentwicklungsmaßnahme kann dazu beitragen, ein Team beim Durchlaufen dieser Phasen zu unterstützen. Wenn anhand des Gruppenverhaltens identifiziert wurde, in welcher Phase sich die Gruppe befindet, können phasenspezifische Unterstützungsmaßnahmen angewendet werden. Diese Unterstützungsmaßnahmen sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Die ‚Adjourning‘-Phase wird hier nicht thematisiert, da sich in dieser Phase das Team bereits wieder auflöst. Die Übersicht enthält wertvolle Hinweise für die Entwicklung eines Teams in der Patientenversorgung, wobei nicht alle der genannten Punkte vollständig auf Teams in der Patientenversorgung übertragbar sind. Dies gilt vor allem für die Maßnahmen, die auf die Projektziele in der ‚Performing‘-Phase abzielen, denn Projekte sind in der Patientenversorgung zurzeit noch nicht die Regel. Eventuell ist das Fehlen von herausfordernden und mittelfristigen Projekten mit entsprechenden Zielen sogar eine Ursache für Defizite in der teambezogenen Patientenversorgung.
Unterstützung des Teams durch Teammitglieder und Teamleitung |
Forming |
|
Storming |
|
Norming |
|
Performing |
|
Teams entwickeln sich nicht immer störungsfrei. Hier setzt die Teamentwicklung als geplante Organisationsentwicklungsmaßnahme an. Sie zielt darauf ab, das Team beim Durchlaufen der einzelnen Phasen durch gezielte Maßnahmen zu unterstützen.
3.3.4.6. Schlussbetrachtung
In der modernen Patientenversorgung ist Teamarbeit ein zentrales qualitätssicherndes Merkmal. Ärzte und andere an der Patientenversorgung beteiligte Professionen müssen dazu ihre jeweiligen Kompetenzen einbringen, damit eine effiziente und gute Zusammenarbeit am Patienten möglich wird. Da Ärzte oftmals Teams in der Versorgung leiten, wird von ihnen – neben vielen anderen Kompetenzen – eine Kompetenz in der Entwicklung von Teams gefordert. Beides, sowohl Team- als auch Führungskompetenz, kann und sollte erlernt und geschult werden. Dies kommt nicht nur den Patienten zugute, sondern auch den Mitarbeitern in den Teams.
1 Professionalisierung bezeichnet die Entwicklung eines Berufs zu einer Profession. Als Profession werden in den Sozialwissenschaften akademische Berufe mit besonderer Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit bezeichnet, die besonders ausgewiesen sind, da sie für die gesellschaftliche Reproduktion ein zentrales Problem bearbeiten und das dafür erforderliche spezielle Wissen systematisch anwenden [1]. Zu den Professionen gehörten zunächst nur wenige Berufe wie Arzt, Jurist, Geistlicher.
References
[1] Pundt J. Professionalisierung im Gesundheitswesen: Einstimmung in das Thema. In: Pundt J, editor. Professionalisierung im Gesundheitswesen: Positionen – Potenziale – Perspektiven. 1st ed. Bern: Huber; 2006. p. 7-20 (Programmbereich Gesundheit).[2] Antoni CH. Interprofessionelle Teamarbeit im Gesundheitsbereich. Z Evid Fortbild Qual Gesundhwes. 2010;104(1):18–24.
[3] Homayounfar K, Lordick F, Ghadimi M. Qualitätssicherung: Multidisziplinäre Tumorboards – trotz Problemen unverzichtbar. Dtsch Ärtzebl. 2014;111(22):A998-A1001.
[4] Möller S. Erfolgreiche Teamleitung in der Pflege. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag; 2013. DOI: 10.1007/978-3-642-37322-0
[5] Schiersmann C, Thiel H-U. Teamentwicklung – von der Arbeitsgruppe zum (Hochleistungs-) Team. In: Organisationsentwicklung: Prinzipien und Strategien von Veränderungsprozessen. Wiesbaden: VS, Verl. für Sozialwiss.; 2011. p. 223-305.
[6] Mabey C, Caird S. Building Team Effectiveness. Milton Keynes: Open University, Milton Keynes; 1999.
[7] Katzenbach JR, Smith DK. Teams: Der Schlüssel zur Hochleistungsorganisation. Frankfurt: Verlag Moderne Industrie; 2003.
[8] Jüster M. Was ist „systemisch“ an der „systemischen Teamentwicklung“? In: Tomaschek N, editor. Systemische Organisationsentwicklung und Beratung bei Veränderungsprozessen. Heidelberg: Carl-Auer Verlag; 2006. p. 151-168.
[9] Tuckman BW, Jensen MAC. Stages of small-group development revisited. Group and Organization Studies 1977;2(4):419–27.
[10] Buchanan DA, Huczynski AA. Organizational behaviour. Harlow: Pearson; 2010.
[11] Mayrshofer D, Kröger HA. Prozesskompetenz in der Projektarbeit: Ein Handbuch für Projektleiter, Prozessbegleiter und Berater. Hamburg: Windmühle GmbH; 2003.