Cover: Online Lehrbuch der Medizinischen Psychologie und Medizinischen Soziologie

Online Lehrbuch der Medizinischen Psychologie und Medizinischen Soziologie

Renate Deinzer, Olaf von dem Knesebeck (Hrsg.)


3.4. Qualitätssicherung

 Hans-Joachim Hannich 1
Olaf von dem Knesebeck 2


1 Institute for Medical Psychology, University Medicine Greifswald, Greifswald, Germany
2 Institut für Medizinische Soziologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany

Die Entwicklung der Qualitätssicherung (QS) kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Erste Zeugnisse dafür finden sich bereits im babylonischen Codex Hammurabi aus dem 18. Jahrhundert vor Christi, in denen Qualitätsstandards für den Bau der Pyramiden festgelegt wurden. Auch kann der Eid des Hippokrates als ein früher Beleg dafür verstanden werden, für die Medizin verbindliche Verhaltensregeln zur Herstellung von Heilung zu schaffen.

In Deutschland bekam die Entwicklung der QS durch die im Jahre 1975 durchgeführte Perinatalerhebung [1] in Bayern einen großen Schub. Allein die Erfassung einiger qualitätsrelevanter Merkmale senkte die Säuglingssterblichkeit deutlich, so dass das Erhebungsverfahren deutschlandweit als Routinemaßnahme eingeführt wurde. Andere Bereiche der Medizin wie die Chirurgie folgten diesem Beispiel und entwickelten ähnliche Verfahren für ihren eigenen Fachbereich. Im ambulanten Sektor wurde ab den 90er Jahren durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) die Einrichtung von Qualitätszirkeln gefördert [2]. Zusätzlich etablierten die Kassenärztlichen Vereinigungen eigene (QS-)Abteilungen zur Genehmigung von abrechenbaren Leistungen. Berufsverbände, medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften wie auch das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ), eine gemeinsame Einrichtung von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung, bemühen sich fortlaufend um die Entwicklung von Behandlungsleitlinien. Durch die Gesundheitsgesetzgebung wurde das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) errichtet. Es befasst sich u.a. mit der Bewertung des Nutzens von Behandlungsverfahren für Patienten. Vor einigen Jahren wurde darüber hinaus das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) gegründet, das für die gesetzlich verankerte QS zuständig ist. Zudem hat sich eine Vielzahl von Beratungsfirmen speziell zum Zwecke der QS im medizinisch-pflegerischen Bereich gegründet. Dieser eigene Wirtschaftszweig stellt Experten bereit, die bei der Zertifizierung von Gesundheitseinrichtungen im Rahmen von „Medical Audits“ eine wichtige Rolle spielen. Bedeutsame Akteure in diesem Bereich sind z.B. die KTQ-GmbH e.V. (Kooperation für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen) als ein Zusammenschluss von Spitzenverbänden der Krankenkassen, der Bundesärztekammer und der Deutschen Krankenhausgesellschaft, proCum Cert als konfessionelle Zertifizierungsgesellschaft oder OnkoZert als Zertifizierungssystem der Deutschen Krebsgesellschaft.

Für den Arzt der Zukunft werden die Anstrengungen um QS zum festen Bestandteil seiner ärztlichen Tätigkeit werden. Die Auseinandersetzung mit dieser Thematik ergibt sich für ihn zwangsläufig aufgrund

  • des stetigen medizinischen Fortschritts, der ein kontinuierliches Bemühen um das bestverfügbare Behandlungswissen im Sinne der evidenzbasierten Medizin erfordert,
  • der Verpflichtung nach Kostenbegrenzung angesichts begrenzter finanzieller Ressourcen,
  • veränderter Erwartungen des durch das Internet „vorinformierten“ Patienten mit dem gesteigerten Wunsch nach Transparenz über Behandlungsmöglichkeiten und qualität,
  • gesetzlicher Vorgaben im Rahmen des Sozialgesetzbuches SGB V §135, die medizinische und pflegerische Leistungserbringer auf Maßnahmen der QS verpflichten,
  • des steigenden Wettbewerbs zwischen Anbietern, in dem QS zum ProArgument für die jeweilige Einrichtung wird,
  • der Vertragsregelungen mit Kostenträgern, die QS als Voraussetzung für den Abschluss von Direktverträgen mit dem Anbieter medizinischer Dienstleistungen verlangen.
 

Nicht zuletzt kann QS das Vertrauen der Patienten und der Kostenträger darin stärken, dass den Versicherten eine sinnvolle und effiziente Behandlung zukommt. Hierbei spielen Transparenz, gute Organisation und gute Behandlungsergebnisse eine wesentliche Rolle.

In diesem Kapitel werden einführend Definitionen von Qualität gegeben und es werden unterschiedliche Ebenen der QS eingeführt. Daraufhin wird das Thema QS auf das wissenschaftliche Arbeiten und sodann auf das medizinische Handeln bezogen.


References

[1] Althoff P, Berg D. Effektivitätsaspekte in der Perinatalerhebung. Der Gynäkologe. 1996;29:535-40.
[2] Kassenärztliche Bundesvereinigung. Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für Verfahren zur Qualitätssicherung (Qualitätssicherungs-Richtlinien der KBV) gemäß § 135 Abs. 3 SGB V. Dtsch Arztebl. 1993;90(21):A-1611-A-1614.