Cover: Online Lehrbuch der Medizinischen Psychologie und Medizinischen Soziologie

Online Lehrbuch der Medizinischen Psychologie und Medizinischen Soziologie

Renate Deinzer, Olaf von dem Knesebeck (Hrsg.)


2.5.4. Die Perspektive der Sozialisation: Zur Entwicklung psychosozialer Faktoren

 Stefanie Sperlich 1
Thomas von Lengerke 2


1 Medizinische Soziologie, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland
2 Forschungs- und Lehreinheit Medizinische Psychologie, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland

Soziale Normen (s. Kapitel 2.5.2.) werden nicht nur durch Sanktionen und damit über äußere Kontrolle aufrechterhalten. Besondere Stabilität erhalten sie dadurch, dass sie von den Personen selbst getragen werden und damit Fremdkontrolle um Selbstkontrolle ergänzt wird. Die Sozialisation beschreibt den Prozess, wie die sozialen Werte und Normen der Gesellschaft im Zuge der Persönlichkeitsentwicklung verinnerlicht und damit zu eigen gemacht werden. Die sozialisationstheoretische Perspektive ist damit imstande, die eingangs aufgeworfenen Fragen von Allport (s. Kapitel 2.5.1.zu beantworten: Der Einzelne ist sowohl Ursache als auch Folge von Gesellschaft, weil die Individuen die Gesellschaft einerseits formen und damit „ursächlich“ bedingen. Andererseits werden die Individuen über den Prozess der Sozialisation von der Gesellschaft geprägt und sind damit auch deren Folge.

Im Folgenden wird der Prozess der Sozialisation zunächst beschrieben und die Entwicklung der individuellen Persönlichkeit in der Auseinandersetzung von personalen und umweltbezogenen Bedingungen erläutert. Daran anknüpfend werden mit „primär“, „sekundär“ und „tertiär“ drei unterschiedliche biografische Stadien der Sozialisation differenziert und die Relevanz der Sozialisation für das Erlernen sozialer Rollen erläutert. Im Anschluss wird die zentrale Bedeutung primärer Sozialisation am Beispiel elterlicher Erziehungsstile herausgestellt. Das Kapitel schließt mit der Beschreibung sozial ungleicher Sozialisationsbedingungen und der sich daraus ergebenden Herausforderungen für die ärztliche Tätigkeit.