Cover: Online Lehrbuch der Medizinischen Psychologie und Medizinischen Soziologie

Online Lehrbuch der Medizinischen Psychologie und Medizinischen Soziologie

Renate Deinzer, Olaf von dem Knesebeck (Hrsg.)


3.3.2. Arztrolle

 Timo-Kolja Pförtner 1
Holger Pfaff 1


1 Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR), Universität zu Köln, Köln, Deutschland

Im Laufe der Ausbildung zum Arzt und auch in der späteren Ausübung des Ärzteberufs tritt häufig die Frage auf, wie sich jemand in der Rolle eines Arztes zu verhalten hat. Die Frage mit Bezug auf das ärztliche Handeln schließt direkt an die aus der Soziologie stammende Rollentheorie an. Denn diese versucht, die gesellschaftlichen Erwartungen gegenüber Rolleninhabern zu beschreiben und die normativen Aspekte von sozialen Rollen zu begründen. Darüber hinaus befasst sich die Rollentheorie mit den Fragen, welche Funktion eine Rolle für die Gesellschaft erfüllt, wie diese gelernt und in der Ausübung gesichert wird und welchen Herausforderungen die Träger einer spezifischen Rolle ausgesetzt sind. Für angehende Ärzte bildet insbesondere das Studium und die postuniversitäre Ausbildung die Grundlage einer formellen Rollensozialisation, in der Wissen und Kenntnisse, Kompetenzen, Einstellungen und Werte des Arztberufs vermittelt werden und so ein Verständnis der Ärzterolle vermittelt wird [1]. Die Auseinandersetzung mit der Rolle des Arztes ist seit jeher zentraler Gegenstand der Medizinischen Soziologie [2]. Sie hat einen besonderen Stellenwert für die medizinische Ausbildung, da die Arztrolle die Interaktion zwischen Arzt und Patient mitbestimmt und damit auch für den Behandlungserfolg entscheidend sein kann [3].

3.3.2.1. Normative Aspekte der Arztrolle

Aus der Rollentheorie ist bekannt, dass Rolleninhaber gewissen Erwartungen (inneren und äußeren) ausgesetzt sind, die ihre Verhaltensweisen und Einstellungen in der Ausübung ihrer Rolle prägen. Die spezifischen Erwartungen an die Arztrolle – damit sind Verhaltensweisen und Einstellungen, aber auch Rechte und Pflichten eines Arztes gemeint – sind Ausdruck gesellschaftlicher Werte und Normen. Diese normativen Aspekte der Arztrolle, die einen engen Bezug zur Medizinethik haben, finden unter anderem Ausdruck im Eid des Hippokrates, dem Genfer Ärztegelöbnis und weiteren Berufspflichten des Arztes [4]. Sie gelten als verbriefte Rechte und Pflichten und bilden die Grundlage für die Berufsordnung der in Deutschland tätigen Ärzte (siehe Tabelle 1).

Dass sich eine Person an die Rollenerwartungen hält, liegt laut Rollentheorie an einem inneren und äußeren Konformitätsdruck, der über positive wie negative Sanktionen gesichert wird. In der Berufsordnung der in Deutschland tätigen Ärzte zeigt sich dieser innere und äußere Konformitätsdruck in besonderer Weise.

Tabelle 1: Normative Prinzipien der Arztrolle aus der Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte*

●  Erhaltung, Schutz und Wiederherstellung von Gesundheit

●  Linderung von Schmerzen, Beistand gegenüber Sterbenden

●  Achtung der Würde und Entscheidung des Menschen

●  Gewissenhaftigkeit und Uneigennützigkeit in der Berufsausübung

●  Qualifikation und fachliche Spezialisierung

●  Aufklärungs- und Schweigepflicht

*Entlehnt aus der (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte in der Fassung des Beschlusses des 118. Deutschen Ärztetages 2015 in Frankfurt am Main [5].

Auf der einen Seite wird der innere Konformitätsdruck durch die im Ärztegelöbnis (Berufsordnung für die deutschen Ärzte) formulierte Ehrverpflichtung adressiert, die den Rollenträger an die Achtungswürdigkeit des Arztberufs erinnern soll. So muss jede neue Ärztin und jeder neue Arzt auf die eigene Ehre unter anderem versprechen, dass sie mit allen Kräften die Ehre und die edle Überlieferung des ärztlichen Berufes aufrechterhalten“ werden [5]. Auf der anderen Seite zeigt sich der äußere Konformitätsdruck durch die besonderen berufsrechtlichen Gegebenheiten des Ärzteberufs [6]. Verstößt ein Arzt gegen das Gesetz, droht, neben einer strafrechtlichen Verfolgung, die beispielsweise bei einer Urkundenfälschung anstehen kann, auch ein berufsrechtliches Verfahren. Dieses berufsrechtliche Verfahren ist dem besonderen Charakter der Arztrolle geschuldet und prüft, ob die in der Berufsordnung verbrieften Pflichten verletzt wurden. Aus diesem Grunde kann ein Arzt bei Verstoß gegen das Gesetz sowohl strafrechtlich als auch berufsrechtlich sanktioniert werden. Als weitere nicht-rechtliche Sanktionen können bei einem Verstoß gegen die ärztlichen Rollenerwartungen Beschwerden, Behandlungsabbrüche und im schlimmsten Fall der Arbeits- und Statusverlust drohen, mit entsprechenden Folgen für die ärztliche Karriere.

Die ärztliche Tätigkeit ist eingebettet in ein Rollen-, Werte- und Normensystem, das von den Ärzten und Ärzteverbänden historisch etabliert wurde und aufrechterhalten wird.

3.3.2.2. Die Arztrolle nach Parsons

Talcott Parsons hat als ein Vertreter der strukturfunktionalistischen Theorieströmung in den 1950er Jahren ein für die Medizinische Soziologie grundlegendes Konzept zur Arzt- und Patientenrolle entworfen [7]. Parsons versteht die Medizin als einen für die Gesellschaft notwendigen Baustein, dem die Funktion zukommt, die Gesundheit der Bevölkerung zu erhalten, damit der Einzelne seine sozialen Rollen in der Gesellschaft erfüllen kann. Die Medizin bedarf dabei laut Parsons eines in der Gesellschaft anerkannten (institutionalisierten) Rollenverständnisses von Arzt und Patient, das die herangetragenen Rollenerwartungen und damit auch das Handlungsgeschehen im medizinischen System und in der Gesamtgesellschaft ordnet.

Generell wird nach Parsons das Rollenverhalten eines Individuums entlang fünf idealtypischer, dichotomer Orientierungsalternativen (eng. pattern variables) ausgerichtet, die eine Analyse des Rollenmusters ermöglichen [8]:

  1. Affektivität vs. affektive Neutralität,
  2. Spezifität vs. Diffusität,
  3. Universalismus vs. Partikularismus,
  4. Zuschreibung vs. Leistung und
  5. Selbstorientierung vs. Kollektivitätsorientierung.

Bezogen auf die Rolle des Arztes ergeben sich aus diesen Dimensionen folgende idealtypische Erwartungen an den Arztberuf, die in modernen Gesellschaften weitgehend übereinstimmen und damit Allgemeingültigkeit besitzen:

Affektive Neutralität: Der Arzt soll in der Interaktion unbeeinflusst von Affekten und Emotionen sein und sich beispielsweise nicht von Sympathien oder Antipathien leiten lassen (z.B. bei der Behandlung unliebsamer Patienten).

Funktionale Spezifität: Das ärztliche Handeln soll sich ausschließlich auf solche Bereiche beschränken, für die eine entsprechende Qualifikation vorliegt. Der Arzt sollte daher nicht seine (medizinischen und nicht-medizinischen) Kompetenzen überschreiten (z.B. keine Rechtsberatung geben).

Universalismus: Der Arzt soll ungeachtet der persönlichen Eigenschaften oder der sozialen Position des Erkrankten zur uneingeschränkten Hilfeleistung bereit sein und nicht spezifische Bevölkerungsgruppen von der Versorgung ausschließen (z.B. bei der Behandlung armer Bevölkerungsgruppen).

Leistung (Kompetenz): Der Arztstatus und die Arztrolle werden nicht von der Gesellschaft aufgrund vorgegebener Merkmale (z.B. Status bei Geburt) zugeschrieben, sondern müssen durch Leistung bzw. durch Erfüllung fachlicher Leistungskriterien erworben worden sein.

Kollektivitätsorientierung: Der Arzt soll immer im Dienste seiner Patienten bzw. der Allgemeinheit handeln (altruistisch) und nicht eigennützig (z.B. kein Profitstreben).

Die ärztliche Rolle ist nach Parsons von der Gesellschaft festgelegt. Die Gesellschaft erwartet in der Rollenausübung einen emotional neutralen, funktionsorientierten, universal und uneigennützig handelnden Arzt, der durch Leistung und nicht etwa durch nicht-leistungsbezogene Gründe (z.B. Geburt) den Status des Arztes erreicht hat.

 

3.3.2.3. Die ärztliche Rolle im Wandel

Einen starken Wandel erlebt die Arztrolle durch den zunehmenden Kostendruck im Gesundheitswesen und die daraus resultierenden Reformen [4]. Neben die normativen Erwartungen an die Arztrolle treten nun Aspekte der Kostendämpfung und Wirtschaftlichkeit, die in letzter Konsequenz den ärztlichen Handlungsspielraum einschränken können [9]. So besteht ein zum Teil offener Konflikt zwischen den verfügbaren Geld- und Zeitressourcen und den diagnostisch und therapeutisch notwendigen Maßnahmen. Davon betroffen sind insbesondere klinisch tätige Ärzte, die häufig ökonomischen Zwängen ausgesetzt sind, z.B. bei der Auswahl von Patienten zur stationären Aufnahme, der Auswahl der Behandlungsmethoden und der Dauer des stationären Aufenthalts. Aber auch ambulant tätige Ärzte sind von Maßnahmen der Kostendämpfung betroffen, die ihre Autonomie einschränken können, wie bspw. durch „gedeckelte Budgets“ oder Wirtschaftlichkeitsprüfungen. Die zunehmende Ökonomisierung des medizinischen Leistungsgeschehens hat zudem zu einer impliziten Rationalisierung geführt, bei der eine mangelnde Transparenz darüber besteht, welche Verteilungskriterien bei begrenzten medizinischen Leistungen greifen [9]. Dies kann das Patientenvertrauen in den Arzt nachhaltig schwächen und moralische Gewissenskonflikte beim Arzt auslösen (Verstoß gegen die Normen des Universalismus und der Kollektivitätsorientierung). Schließlich führt die zunehmende Ökonomisierung im Gesundheitswesen zu einer zum Teil sichtbaren sozialen Ungleichheit in der Versorgung, die mit dem Selbstverständnis des ärztlichen Handelns im Konflikt steht [9]. Die Privatisierung von Krankheitskosten, sei es in Form von Zuzahlungen oder kompletter Privatisierung, wie auch die Gliederung in eine gesetzliche und private Krankenversicherung mit ihren unterschiedlichen Vergütungs- und Behandlungsmodalitäten, sind z.B. Ausdruck einer Ökonomisierung im Gesundheitssystem. Die zunehmende Bedeutung wirtschaftlicher Aspekte im Gesundheitssystem stellt die Arztrolle vor neue Herausforderungen, die insbesondere das Verhältnis zum Patienten und das Wohl des Patienten nachhaltig beeinflussen können (siehe Kapitel Arzt-Patient-Beziehung).

Neben der zunehmenden Ökonomisierung im Gesundheitswesen, die die von Parsons beschriebenen Normen des Universalismus und der Kollektivitätsorientierung vor neue Herausforderungen stellt, beschreibt Siegrist weitere sich abzeichnende neue Rollenerwartungen an den Arzt, die sich unter anderem durch technisch-gesellschaftliche Veränderungen ergeben haben [2]:

Aufhebung der Exklusivität: Verlust an Exklusivität und Verbindlichkeit in der Beziehung zum Arzt durch die Konsultierung mehrerer Ärzte gleichzeitig (z.B. Zweitmeinungsverfahren);

Konkurrenz der Expertise: gezielte Erwartungen und Handlungsmotive der Patienten an den Arzt durch vom Patienten selbst angeeignetes Wissen (z.B. Internet, Selbsthilfeorganisationen);

Überdehnung des Behandlungsauftrags: gesteigerte Erwartung der Patienten an den Arzt, nicht nur Krankheiten zu behandeln, sondern auch das Wohlbefinden zu fördern (z.B. Lifestyle-Medizin, Anti-Aging, Wellness etc.).

Schließlich hat in Deutschland ein von dem Royal College of Physicians and Surgeons of Canada (RCPSC) entwickeltes Konzept der Arztrolle (sogenannte CanMEDS-Rollen) die Konzeption der zukünftigen medizinischen Ausbildung mit beeinflusst. Dieses Rollenkonzept nennt sieben ärztliche Rollenbilder, die in der ärztlichen Tätigkeit erforderlich sind und daher als Schlüsselkompetenzen der ärztlichen Tätigkeit gelten (siehe http://www.royalcollege.ca/rcsite/canmeds/canmeds-framework-e):

  1. Medizinischer Experte (medical expert): Als medizinische Experten integrieren Ärzte medizinisches Wissen, klinische Fähigkeiten und professionelle Werte.
  2. Kommunikator (communicator): Als Kommunikatoren bauen Ärzte Beziehungen zu Patienten und ihren Familien auf.
  3. Mitglied im Team (collaborator): Als Teammitglied arbeiten Ärzte mit Patienten, Familien, verschiedenen Berufsgruppen bzw. Teams im Gesundheitswesen und den Gemeinden zusammen.
  4. Manager (leader): Als Manager engagieren sich Ärzte gemeinsam mit anderen für ein qualitativ hochwertiges Gesundheitssystem und übernehmen durch ihre Tätigkeit als Kliniker, Verwalter, Wissenschaftler oder Lehrer Verantwortung für die medizinische Patientenversorgung.
  5. Gesundheitsfürsprecher (health advocate): Als Gesundheitsfürsprecher und „Anwalt“ des Patienten bringen Ärzte ihre Expertise und ihren Einfluss auf eine verantwortungsvolle Weise ein, um die Gesundheit und das Wohlbefinden ihrer Patienten, der Gemeinde und der Bevölkerung zu verbessern.
  6. Lebenslang Lehrender und Lernender (scholar): Als lebenslang Lehrender und Lernender zeigen Ärzte ein lebenslanges Engagement sowohl für reflexives Lernen als auch für die Schaffung, Verbreitung, Evaluation, Anwendung und Vermittlung von Wissen.
  7. Arzt/Ärztin mit professionaler Haltung (professional): Ärzte sind der Gesundheit und dem Wohlergehen der einzelnen Patienten und der Gesellschaft verpflichtet und setzen dies in Form von ethisch hochwertiger Praxis, hohen persönlichen Verhaltensstandards und professionellen Regelungen um.

Diese Rollendefinitionen und die damit zusammenhängenden Kompetenzen sind in die Diskussion um die Konzeption des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalogs Medizin (NKLM) eingeflossen [10].

Die ärztliche Rolle ist aufgrund des gesellschaftlichen Wandels ebenfalls Veränderungen unterworfen. Der Arzt der Zukunft muss aufgrund einer komplexer werdenden Welt mehr Rollen als bisher ausfüllen (Experte, Kommunikator, Teamplayer, Manager, Fürsprecher, Lernender und Professioneller).

3.3.2.4. Die Arztrolle in der Palliativmedizin

In der Behandlung von Patienten mit einer fortschreitenden und unheilbaren Erkrankung nehmen Ärzte eine besondere Rolle ein. Diese geht über das von Parsons beschriebene Konzept der Arztrolle weit hinaus. Ärzte werden hier als „Begleiter“ und Patienten als „Gehende“ verstanden. Der Arzt als Begleiter und Helfer sieht sich dabei einer besonderen Komplexität ausgesetzt, in der oftmals weder der Betroffene noch die Begleitenden den palliativmedizinischen Behandlungsverlauf kennen. Neben der Linderung von Schmerzen sowie der Verminderung belastender Symptome werden in der palliativmedizinischen Begleitung auch psychische, soziale und spirituelle Bedürfnisse adressiert, um die Lebensqualität des Patienten zu verbessern und eine möglichst lange Lebenszeit in Autonomie und Würde zu ermöglichen.

Das Vertrauen spielt in der palliativmedizinischen Versorgung aufgrund der besonderen Vulnerabilität des Patienten eine weitaus größere Rolle als in der allgemeinen Versorgung. Palliativärzte müssen neben einer fachlichen und kommunikativen Kompetenz über emotionale und soziale Fähigkeiten verfügen, die vertrauensbildend wirken, wie bspw. Authentizität, Aufmerksamkeit, Empathie und Verlässlichkeit. Darüber hinaus bedürfen Palliativärzte einer besonderen ethischen Kompetenz. Diese kommt insbesondere bei nicht-einwilligungsfähigen Patienten zum Tragen, indem eine Abwägung ethischer Aspekte mit Bezug auf die Lebensqualität und die Autonomie des Betroffenen durch den Palliativarzt erfolgen muss.

In der Palliativmedizin arbeiten oftmals multiprofessionelle Teams aus Ärzten, Pflegekräften, Sozialarbeitern, Seelsorgern, Psychologen, Kunst- oder Musiktherapeuten sowie Ehrenamtlichen (sog. Palliative-Care-Teams) zusammen.
Diese Teams stellen an den Arzt als Begleiter weitere Anforderungen, wie beispielsweise Kooperations- und Teamfähigkeit (siehe Kapitel 3.3.4. und Kapitel 4.4.). Palliativärzte und das gesamte Team in der palliativen Versorgung sind zudem besonderen emotionalen Belastungen ausgesetzt.

Zu den wesentlichen Normen der ärztlichen Sterbebegleitung nach den Grundsätzen der Bundesärztekammer zählen unter anderem folgende Aspekte:

  • Achtung des Selbstbestimmungsrechtes und des Willens des Patienten (u.U. unter Hinzunahme einer Patientenvertretung)
  • Ermöglichung eines menschenwürdigen Sterbens (u.a. durch Linderung von Leiden, Unterlassung und Beendigung von Maßnahmen, die den Todeseintritt verzögern)
  • Bereitstellung einer Basisbetreuung (u.a. menschenwürdige Unterbringung, Zuwendung, Körperpflege, Lindern von Schmerzen, Atemnot und Übelkeit sowie Stillen von Hunger und Durst)
  • wahrheitsgemäße Aufklärung unter Berücksichtigung der Situation des Sterbenden
  • Ermittlungspflicht über den geäußerten oder mutmaßlichen Patientenwillen (u.U. unter Zuhilfenahme des Betreuungsgerichts bei fehlender Patientenvertretung)
  • Verbot der Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung des Patienten oder der Tötung des Patienten (auch auf Verlangen)

Die ärztliche Rolle unterliegt im palliativmedizinischen Kontext besonderen Herausforderungen und zeichnet sich durch zusätzliche Erwartungen der Gesellschaft an den Arzt aus.

 

3.3.2.5. Zusammenfassung

Die Arztrolle nimmt einen besonderen Stellenwert in der Arzt-Patient-Beziehung ein, da sie die Erwartungen an einen Arzt bündelt. Talcott Parsons hat dazu fünf spezifische idealtypische Erwartungshaltungen an den Arztberuf formuliert, die sich im Zuge einer zunehmenden Ökonomisierung und technisch-gesellschaftlichen Veränderungen einem Wandel bzw. stetigen Herausforderungen ausgesetzt sehen. Besonderen Stellenwert nimmt die Arztrolle in der palliativmedizinischen Versorgung ein, die mit Blick auf den demografischen Wandel zunehmend an Bedeutung gewinnt.


References

[1] Reimann S. Die medizinische Sozialisation: Rekonstruktion zur Entwicklung eines ärztlichen Habitus. Wiesbaden: Springer VS; 2013.
[2] Siegrist J. Medizinische Soziologie. München, Jena: Elsevier, Urban und Fischer; 2005.
[3] Krones T, Richter G. Ärztliche Verantwortung: das Arzt-Patient-Verhältnis [Physicians' responsibility: doctor-patient relationship]. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2008; 51(8):818–26. DOI: 10.1007/s00103-008-0601-y
[4] Scheibler F, Pfaff H. Arztrolle. In: Berth H, Balck F, Brähler E, editors. Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie von A bis Z. Göttingen: Hogrefe; 2008. p. 55–9.
[5] Bundesärztekammer. (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte – MBO-Ä 1997 –* in der Fassung des Beschlusses des 118. Deutschen Ärztetages 2015 in Frankfurt am Main. Dtsch Arztebl. 2015;112(31-32):A1-9.
[6] Gerst T, Hibbeler B. Berufsrecht: Wenn Ärzte ihre Pflicht verletzen. Dtsch Arztebl. 2011;108(10):A499–504.
[7] Parsons T. Struktur und Funktion der Modernen Medizin. In: König R, Tönnesmann M, editors. Probleme der Medizin-Soziologie. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften; 1958. (Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie: Sonderheft 3). p. 10–57. DOI: 10.1007/978-3-663-02851-2_2
[8] Parsons T, Shils EA. Value, motives, and system of action. In: Parsons T, Shils EA, editors. Toward a general theory of action. Cambridge: Harvard University Press; 1951. p. 45–275. DOI: 10.4159/harvard.9780674863507.c4
[9] Siegrist J. Die ärztliche Rolle im Wandel [The changing role of physicians]. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2012 Sep;55(9):1100–5. DOI: 10.1007/s00103-012-1527-y
[10] MFT Medizinischer Fakultätentag der Bundesrepublik Deutschland e.V., editor. Nationaler Kompetenzbasierter Lernzielkatalog Medizin (Verabschiedet auf der Mitgliederversammlung des 76. Ordentlichen Medizinischen Fakultätentages am 04.06.2015 in Kiel). 2015 [cited 2018 Jul 4]. Available from: http://www.nklm.de/files/nklm_final_2015-07-03.pdf