Cover: Online Lehrbuch der Medizinischen Psychologie und Medizinischen Soziologie

Online Lehrbuch der Medizinischen Psychologie und Medizinischen Soziologie

Renate Deinzer, Olaf von dem Knesebeck (Hrsg.)


3.2. Der Patient im Gesundheitssystem

 Renate Deinzer 1


1 Fachbereich Medizin - Institut für Medizinische Psychologie, Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen, Germany

Nachdem es im vorangegangenen Abschnitt um das Gesundheitssystem und dessen Struktur ging (Kapitel 3.1.), fokussiert dieses Kapitel nun die Rolle des Patienten. Von zentraler Bedeutung ist hierbei dessen Krankheitsverarbeitung, weswegen Kapitel 3.2.1. auf dieses Thema im Detail eingeht. Nach einer kurzen Einführung schildert es zunächst das bis heute gängige Modell der Krankheitsverarbeitung von Lazarus & Folkmann [1], um dann verschiedene Einflussfaktoren auf die Krankheitsverarbeitung darzustellen. Erläutert wird hierbei zunächst die Bedeutung von Attributionen, Kontrollüberzeugungen und subjektiven Krankheitstheorien für die Krankheitsverarbeitung. Es folgt eine differenzierte Darstellung der unterschiedlichen allgemeinen Verarbeitungsstile Repression vs. Sensitization, die bereits in Kapitel 2.3. angesprochen wurden. Auch auf die Bedeutung sozialer Unterstützung für die Krankheitsverarbeitung geht dieser Abschnitt ein.  Die hier geschilderten Erkenntnisse und Theorien bilden die Basis für Interventionen zur Unterstützung der Krankheitsverarbeitung, denen sich der nächste Abschnitt widmet. Nicht immer gelingt die Krankheitsverarbeitung im Positiven, sie kann sogar einen eigenen Störungswert erhalten, wie der letzte Abschnitt zeigt, der die diesbezüglichen Klassifikationen in der ICD-10 (International Classification of Diseases) [2] erläutert.

Während somit Kapitel 3.2.1. den Patienten im Gesundheitssystem eher aus psychologischer Perspektive betrachtet, nimmt Kapitel 3.2.2. stärker die soziologische Perspektive ein. Ausführlich wird hier zunächst die Krankenrolle analysiert und aufgezeigt, welche Bedeutung es auch gesellschaftlich hat, die Rolle des Kranken oder des Patienten einzunehmen und/oder zugewiesen zu bekommen. Angesprochen werden dabei u.a. die normativen Voraussetzungen, nach denen von der Gesellschaft aus eine solche Zuweisung erfolgt, sowie die mit den verschiedenen Rollen verknüpften Rollenerwartungen und die ggf. hieraus entstehenden Rollenkonflikte. Mit dem Thema Selbstmanagement wird sodann ein Übergang zu dem wichtigen Kapitel des Inanspruchnahmeverhaltens geschaffen. Hier werden die zahlreichen Faktoren herausgearbeitet, mit denen sich intraindividuelle Unterschiede in der Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen vorhersagen und teilweise auch erklären lassen. Gerade bei chronischen Erkrankungen und Behinderungen werden die umfassenden und besonderen Bedürfnisse der Patienten, was z.B. Information, Beratung oder auch soziale Unterstützung betrifft, oft nicht ausreichend vom Gesundheitssystem oder ihrem unmittelbaren sozialen Umfeld erfüllt. Selbsthilfegruppen haben nicht nur in dieser Hinsicht eine wichtige Funktion. Deswegen widmet sich der Schluss dieses Kapitels ausführlich diesem Thema.


References

[1] Lazarus RS, Folkman S. Stress, appraisal, and coping. New York: Springer; 1984.
[2] WHO, DIMDI [Internet]. ICD-10-GM – Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision, German Modification, Version 2020, mit Aktualisierung vom 01.11.2019; Sept 20, 2019 [cited Dec 11, 2019]. Available from: https://www.dimdi.de/static/de/klassifikationen/icd/icd-10-gm/kode-suche/htmlgm2020/