[Building a digital learning space at IU International University of Applied Sciences]
Kira Hoffmann 11 IU Internationale Hochschule, Leipzig, Deutschland
Abstract
Digital learning environments can be much more than just platforms for information and communication – they have the potential to evolve into a “third place” where students, educators, and external participants come together to learn from one another and collaboratively develop new ideas. The digital learning space (DLS) at IU International University of Applied Sciences aims to create exactly such a space: a platform that fosters collaborative learning formats, promotes lifelong learning, enhances media literacy, and contributes to a holistic sense of academic wellbeing. This article presents the concept of the digital learning space at IU International University, which is designed around student needs and combines elements of a library, a digital seminar room, and an intercultural learning environment.
The goal is to cultivate a vibrant community that offers both synchronous and asynchronous learning opportunities – from moderated discussions, webinars, and digital project workshops to targeted tutorials and resources for media and information literacy. This paper will address the following issues: What exactly is a DLS, and how can it support students not only academically, but also in their personal development. What role does a diversity-aware approach play – one that considers different cultural backgrounds and learning styles? And how can such an offering be implemented and sustainably integrated into daily academic life so that it is truly perceived as a third place? The article offers readers a deeper understanding of the technical, conceptual, and didactic aspects of the DLS, along with the key challenges and factors that contributed to its success.
Keywords
digital learning space, third place, lifelong learning, media literacy, academic wellbeing, collaboration, cultural exchange
1 Einleitung
Bibliotheken haben sich längst von reinen Informationsinfrastrukturen zu sozialen und kulturellen Lernorten weiterentwickelt. In Zeiten zunehmender Digitalisierung verändert sich ihre Rolle jedoch grundlegend [1], [2]. Insbesondere an Fernhochschulen wie der IU Internationale Hochschule mit über 100.000 überwiegend Fernstudierenden. Hier zeigen sich besondere Herausforderungen: Das Format „Fernstudium“ führt zu einer fehlenden sozialen Einbindung, einer mangelnden Orientierung im digitalen Raum und einem starken Wunsch nach niedrigschwelliger Vernetzung.
Die Library and Information Services (LIS) der IU Internationale Hochschule haben vor diesem Hintergrund ein eigenes Konzept für einen „Digital Learning Space“ (DLS) entwickelt und an die Anforderungen einer digitalen Fernhochschule angepasst. Der DLS versteht sich als digitaler Dritter Ort, der informelles und strukturiertes Lernen verbindet, Austausch ermöglicht und zentrale Zukunftskompetenzen im digitalen Raum fördert. Ziel ist es, Studierenden eine barrierearme, integrative Lernumgebung zu bieten, in der sie sich sowohl fachlich als auch sozial weiterentwickeln können. Dabei geht es nicht nur um den Zugang zu Inhalten, sondern auch um die aktive Mitgestaltung des Lernprozesses und die Stärkung der Selbstwirksamkeit. Ein besonderes Merkmal des DLS ist sein partizipativer Charakter: Studierende werden nicht nur als Konsumierende, sondern als Mitgestaltende angesprochen. Durch interaktive Formate, Peer-Learning (das Lernen unter Gleichgestellten, bei dem Studierende sich gegenseitig unterstützen, Wissen austauschen und voneinander lernen) und niedrigschwellige Kommunikationsräume entsteht eine Lernkultur, die auf Vertrauen, Kollaboration und Selbstorganisation basiert. Die LIS verstehen sich hierbei nicht nur als Serviceeinheit, sondern als didaktische Partnerin auf Augenhöhe. Gerade aus bibliothekspädagogischer Sicht ist eine didaktisch fundierte Gestaltung unverzichtbar, um den Lernraum nicht nur technisch zugänglich, sondern auch inhaltlich wirksam und nachhaltig zu gestalten. Digitale Räume entfalten ihr Potenzial erst dann vollständig, wenn sie durchdacht strukturiert, moderiert und auf Lernziele ausgerichtet sind. Genau hier liegt der Mehrwert bibliothekarisch-didaktischer Expertise. Didaktik bedeutet in diesem Zusammenhang, Lernangebote so zu gestalten, dass sie nicht nur Wissen vermitteln, sondern Verstehen ermöglichen, kritisches Denken anregen und Lernprozesse begleiten. Die Gestaltung solcher Räume profitiert von einem pädagogisch geschulten Blick auf Lernprozesse, Zielgruppenansprache und methodische Vielfalt. Didaktische Kompetenz sorgt dafür, dass Inhalte nicht nur formal korrekt, sondern lernwirksam und aktivierend vermittelt werden. Gerade in digitalen Lernumgebungen, in denen persönliche Präsenz fehlt, ist es entscheidend, Interaktion gezielt zu fördern, Orientierung zu bieten und Lernmotivation aufrechtzuerhalten. Ohne diesen didaktischen Rahmen besteht die Gefahr, dass digitale Lernräume unverbunden bleiben – eine technische Hülle ohne pädagogische Tiefe [3].
2 Theoretischer Hintergrund: Dritte Orte und digitale Lernräume
Ein Dritter Ort beschreibt Orte jenseits von zu Hause und Arbeit, die Zugehörigkeit, informellen Austausch und Gemeinschaft ermöglichen – etwa Cafés oder Bibliotheken. Solche Orte zeichnen sich durch Freiwilligkeit, Zugänglichkeit, Gleichberechtigung und eine angenehme Atmosphäre aus [4]. In Zeiten zunehmender Digitalisierung ist die Frage zentral, wie diese Qualitäten in den virtuellen Raum übertragen werden können. Digitale Lernräume, die diesem Prinzip folgen, sind für Fernstudierende besonders wertvoll, da sie akademisches Lernen mit sozialer Eingebundenheit verbinden. Gerade in asynchronen Lernszenarien fehlt oft der soziale Ankerpunkt, der gemeinsames Lernen erfahrbar macht. Digitale Dritte Orte können diesen Mangel ausgleichen und Lernende emotional wie kognitiv stärker einbinden [5].
Orte wie der DLS greifen das Prinzip gemeinschaftlicher, offener Lernräume auf und übertragen es in den virtuellen Raum. Sie schaffen Räume für gemeinsames Lernen, Peer-Feedback und themenoffene Interaktion. Der Lernreport der IU Internationale Hochschule (2024) [6] zeigt, dass solche Räume wesentlich zur Entwicklung zentraler Kompetenzen wie Informationsrecherche, kritischem Denken und kollaborativem Arbeiten beitragen. Laut dem Report sind insbesondere soziale Einbindung, eine klare Struktur sowie individuelle Relevanz entscheidend für den Lernerfolg in digitalen Lernumgebungen. Studierende werden insbesondere dann motiviert, wenn Lerninhalte für sie persönlich relevant sind, einen klaren Praxisbezug aufweisen und sie ihre Lernziele selbst mitbestimmen können. Fast 90 Prozent der Befragten betrachten lebenslanges Lernen als essenziell. Lernräume, die diesen Bedürfnissen gerecht werden, fördern somit nicht nur kognitives Lernen, sondern auch Wohlbefinden und Zugehörigkeit [6].
Der Digital Learning Space trägt diesen Anforderungen Rechnung, indem er als digitaler Dritter Ort Begegnung, Beteiligung und Kompetenzentwicklung miteinander verknüpft. Damit bietet er einen stabilisierenden Rahmen für Orientierung, Austausch und Selbstwirksamkeit in einer zunehmend komplexen, schnellen und unsicheren Welt – oft als „VUCA-Welt“ bezeichnet, also eine Arbeits- und Lebensrealität, die von Unsicherheit, Wandel, Komplexität und Mehrdeutigkeit geprägt ist. VUCA steht für „volatility“, „uncertainty“, „complexity“ und „ambiguity“. Das ACRL-Framework (Association of College & Research Libraries), ein Referenzrahmen zur Förderung von Informationskompetenz, betont in diesem Zusammenhang, dass Lernende nicht nur Informationen finden, sondern auch kritisch bewerten, reflektieren und ethisch einordnen können müssen – Fähigkeiten, die in kollaborativen, partizipativ gestalteten Lernumgebungen besonders gefördert werden [7], [8].
Das ARCS-Modell (Attention, Relevance, Confidence, Satisfaction) von Keller und Kopp aus dem Jahr 1987, ein motivationspsychologisches Modell zur Förderung von Lernmotivation, wurde von Zander und Heidig auf digitale Lernräume übertragen. Es zeigt, wie Lernumgebungen Motivation gezielt stärken können: durch Angebote, die Aufmerksamkeit erzeugen, Relevanz verdeutlichen, Zuversicht schaffen und Zufriedenheit ermöglichen. Der DLS nutzt genau diese Prinzipien, um digitale Teilhabe zu fördern und Lernen als aktiven, sinnstiftenden Prozess zu gestalten [9], [10].
3 Praxisbericht: Der Digital Learning Space der IU Internationale Hochschule
3.1 Konzept und Ziele
Der DLS wurde konzipiert, um Studierenden aller Fachrichtungen eine interaktive Lern- und Austauschplattform zu bieten. Neben dem Ausbau von Informations-, Medien- und KI-Kompetenz soll auch soziales Lernen gestärkt werden. Der DLS versteht sich explizit nicht als reines Content-Portal, sondern als Raum aktiver Teilhabe. Ziel ist es, Studierende in ihrer Selbstständigkeit zu fördern und sie gleichzeitig mit einem unterstützenden, vernetzten Lernumfeld zu begleiten. Das didaktische Konzept basiert auf einem ganzheitlichen Lernverständnis, das fachliche Inhalte mit sozialer Interaktion und individueller Relevanz verbindet. Es integriert Erkenntnisse aus der Informationswissenschaft, Hochschuldidaktik und Bibliothekspädagogik und reagiert damit auf die vielschichtigen Anforderungen digitaler Fernstudierender. Ein zentrales Anliegen ist ein diversitätsbewusster Ansatz, der die unterschiedlichen Lebensrealitäten, Lernstile und kulturellen Hintergründe der Studierenden berücksichtigt. Als internationale Hochschule mit einer heterogenen Studierendenschaft wird großen Wert darauf gelegt, Lernangebote zu gestalten, die möglichst inklusiv und adaptiv sind. So werden Schulungen und Workshops zweisprachig angeboten, Inhalte barrierearm aufbereitet und Formate bewusst so konzipiert, dass sie auch neurodivergente Studierende besser ansprechen, unter anderem durch klare Strukturierung, visuelle Orientierungshilfen und flexible Teilnahmeformate. Diese studentische Vielfalt wird nicht nur geschätzt, sondern aktiv als Ressource in der Gestaltung des digitalen Lernraums genutzt.
Lernprozesse werden nicht isoliert, sondern als komplexes Zusammenspiel kognitiver, emotionaler und sozialer Faktoren betrachtet. Der DLS bietet daher nicht nur Wissen, sondern eine vernetzte Lernkultur – offen, adaptiv und kollaborativ.
3.2 Umsetzung
Die Umsetzung des Digital Learning Space erfolgt derzeit über mehrere miteinander vernetzte Plattformen. Zoom dient aktuell als zentraler Veranstaltungsraum für Live-Workshops und Gruppenformate. Ergänzt wird dieses Angebot durch MS Teams, das insbesondere für die „Library Online Office Hour“, sowie für die laufende Kommunikation mit Studierenden eine zentrale Rolle spielt. Über einen eigenen Teams-Kanal mit über 5.000 Studierenden können diese direkt mit dem LIS-Team in Kontakt treten, Fragen stellen oder auf begleitende Materialien zugreifen. Der Kanal dient zugleich als dynamisches Forum für thematische Impulse, Veranstaltungshinweise und Rückfragen rund um Recherche, Zitation und Tools. Zudem wird hier ein virtueller Raum für freies Arbeiten angeboten, der als Treffpunkt für Gruppenprojekte, Peer-Feedback oder informelle Vernetzung genutzt werden kann. Das Angebot des DLS ist mehrstufig aufgebaut und flexibel skalierbar. Es umfasst derzeit ein breites Portfolio an Veranstaltungen, darunter Workshops zu Literaturrecherche, wissenschaftlichem Schreiben, Quellenbewertung, zu Zitierregeln sowie zum reflektierten Einsatz von KI-Tools wie ChatGPT, Semantic Scholar oder Quillbot. Diese Veranstaltungen werden sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch angeboten und regelmäßig evaluiert. Neben den klassischen Workshops sollen Peer-to-Peer-Formate immer weiter in den Fokus gerückt werden, unter anderem durch interdisziplinäre Lerngruppen, gemeinsame Schreibzeiten oder moderierte Diskussionsrunden mit Studierenden aus höheren Semestern. Formate, in denen vor allem der soziale Lernaspekt und der niedrigschwellige Austausch im Mittelpunkt stehen.
Die digitale Lernumgebung der IU Internationale Hochschule „myCampus“ stellt ergänzend eine Vielzahl asynchron nutzbarer Inhalte bereit – darunter aufgezeichnete Schulungen, Handouts, Lernvideos und sogenannte „Learning Snacks“ zur Selbstüberprüfung. Diese Inhalte ergänzen die Live-Formate und ermöglichen ein flexibles Lernen – individuell und ortsunabhängig. Parallel wird eine ergänzende digitale Umgebung aufgebaut, die vor allem Orientierung, Wellbeing, Übersichtlichkeit und eine lernförderliche Atmosphäre unterstützen soll. Neben bereits bestehenden interaktiven Selbstlernangeboten ist eine zentrale Übersichtsseite als „DLS-Kompass“ bzw. -Center in Planung. Dieser soll alle Angebote visuell aufbereiten, systematisch bündeln und noch leichter zugänglich machen. Perspektivisch wird dieser Kompass als Dashboard fungieren, das Inhalte aus verschiedenen Quellen zusammenführt und so einen individuellen Einstiegspunkt bietet. Inhaltlich legt der DLS den Fokus auf wissenschaftliche und digitale Schlüsselkompetenzen: von Recherche und Quellenarbeit über wissenschaftliches Schreiben bis hin zu Future Skills und dem reflektierten Umgang mit generativer Künstlicher Intelligenz. Besonders gefragt sind Formate wie der Workshop „ChatGPT & Co: Textgenerierende KI-Tools in der wissenschaftlichen Arbeit“, welcher technische Grundlagen vermittelt und gleichzeitig ethische Aspekte diskutiert. Die modulare Reihe zur wissenschaftlichen Literaturrecherche begleitet Studierende schrittweise von der Basis bis zur vertieften Datenbankarbeit. Ergänzt wird das Portfolio durch Formate wie die „Coffee Lecture: Top 10 Fragen zum Zitieren“ oder kurze Einheiten zu KI-Prompting, die zentrale Konzepte kompakt und anwendungsnah vermitteln. Das online „Writing Retreat“ verbindet strukturierte Schreibphasen mit Gruppenübungen, Austauschmöglichkeiten und achtsamkeitsbasierten Pausenimpulsen, etwa durch Yoga oder gemeinsame Spiele. Hier stehen sowohl fachlicher Output als auch die Förderung von Lernmotivation, Selbstorganisation und sozialem Miteinander im Vordergrund. Alle Formate basieren auf einem didaktisch durchdachten Konzept, das Interaktion, Aktivierung, Wellbeing und Methodenvielfalt in den Mittelpunkt stellt. In den Live-Sessions kommen Breakout-Räume, kollaborative Whiteboards, Live-Dokumente und Umfragen zum Einsatz, um aktive Beteiligung zu fördern. Die Veranstaltungen werden regelmäßig evaluiert, fortlaufend optimiert und größtenteils aufgezeichnet. Diese Videos werden in einer zentralen Mediathek bereitgestellt und ermöglichen eine orts- und zeitunabhängige Nutzung – ein entscheidender Vorteil für die heterogene, internationale Studierendenschaft der IU Internationale Hochschule.
Die Kommunikation der Angebote erfolgt über verschiedene Kanäle: Ein monatlich aktualisierter Veranstaltungskalender informiert zentral über Inhalte, Termine und Teilnahmeoptionen. Zusätzlich erreichen Studierende das Team über interne Teams-Kanäle, per E-Mail und über Hinweise auf den offiziellen Social-Media-Kanälen. Die Anmeldung zu Veranstaltungen erfolgt derzeit über Microsoft Bookings; in den Kalendereinträgen sind weiterführende Materialien direkt verlinkt. Je nach Format kommen Tools wie Zoom, Mentimeter, Moodle, Zotero oder ChatGPT zum Einsatz. Die Auswahl der Werkzeuge richtet sich dabei stets nach didaktischen Zielsetzungen und den Anforderungen an Barrierefreiheit und Nutzerfreundlichkeit. Ein wachsendes Bedürfnis von Studierenden ist es, im digitalen Studium nicht allein gelassen zu werden. Dieser Wunsch wird regelmäßig in Rückmeldungen deutlich, sei es in Schulungen, Umfragen oder Diskussionsrunden. Besonders groß ist der Bedarf auch im Kontext von Präsenzphasen oder hybriden Studienmodellen wie dem Dualen Studium, bei denen Studierende zwischen Hochschule und Praxisbetrieb wechseln und eine erhöhte zeitliche wie kognitive Belastung erfahren. Der DLS greift dieses Bedürfnis auf und ergänzt klassische Selbstlernangebote gezielt durch hybride Begleitformate. In diesen Formaten werden die Studierenden aktiv begleitet und erhalten strukturierte Unterstützung. Moderierte Gruppenangebote, gemeinsame Schreibphasen und individuelle Rückmeldeschleifen bieten dabei nicht nur Orientierung, sondern auch emotionale Entlastung.
Die didaktische Grundlage hierfür bildet das Lernkonzept der Bibliothek in Verbindung mit der „Cognitive Load Theory“ nach Sweller, die davon ausgeht, dass Lernen besonders effektiv ist, wenn kognitive Überlastung reduziert und gezielte Unterstützungsmaßnahmen angeboten werden. Eine solche Entlastung, etwa durch klare Strukturen, reduzierte Reizüberflutung und gut abgestimmte Lernmaterialien, verbessert nicht nur die Lernleistung, sondern auch die kognitive Ausgeglichenheit und das akademische Wohlbefinden – ein zentraler Aspekt im Sinne eines nachhaltigen, ganzheitlichen Bildungserlebens [11], [12].
3.3 Herausforderungen
Die Entwicklung und Implementierung des Digital Learning Space ist ein vielschichtiger Prozess und bringt entsprechend unterschiedliche Herausforderungen mit sich. Neben den technischen und konzeptionellen Aspekten betrifft dies vor allem die Koordination, Sichtbarkeit und langfristige Skalierbarkeit des Angebots. Ein zentrales Thema ist die „unsichtbare Teilhabe“: Viele Studierende konsumieren Inhalte zwar regelmäßig, beteiligen sich aber nicht aktiv an Diskussionen, Gruppenarbeiten oder Peer-Angeboten. Um dieser Passivität zu begegnen, werden niedrigschwellige Formate wie offene Schreibzeiten, moderierte Austauschformate oder kreative Challenges angeboten. Gleichzeitig soll der geplante „DLS-Kompass“ künftig eine intuitive und visuell ansprechende Navigation bieten, die den Einstieg ins digitale Lernen erleichtert.
Auch technische Barrieren wirken sich auf die Teilhabe aus. Unterschiedliche digitale Kompetenzen, Endgeräte oder Internetverbindungen führen zu heterogenen Voraussetzungen. Das LIS-Team achtet daher gezielt auf mobile Nutzbarkeit, intuitive Interfaces und barrierearme Gestaltung. Besonders wichtig ist dies in Formaten, bei denen Interaktivität im Mittelpunkt steht. Ein weiteres Feld ist die organisatorische und institutionelle Verankerung. Während viele operative Angebote der Bibliothek (z.B. Workshops und Beratungen) über myCampus bereits im laufenden Betrieb verfügbar sind, befinden sich übergeordnete Strukturmaßnahmen wie die gemeinsame Steuerung mit anderen Servicebereichen noch in der Projekt- und Koordinationsphase. Die Umsetzung wird maßgeblich von einer Bibliothekspädagogin aus dem LIS-Team koordiniert, wobei eine kontinuierliche Abstimmung mit weiteren Service-Einheiten erfolgt. Dabei ist es wichtig, unterschiedliche Perspektiven, Ressourcenlagen und digitale Infrastrukturen aufeinander abzustimmen. Eine besondere Herausforderung stellt auch die eingeschränkte Sichtbarkeit dar. Die Angebote sind ausschließlich über interne Portale und Links auffindbar, was ihre Reichweite und Wahrnehmung begrenzt. Viele Studierende entdecken die Angebote erst durch gezielte Kommunikation über Social Media, interne Teams-Kanäle oder persönliche Weiterempfehlung.
Eine öffentliche Präsenz, z.B. auf der zentralen Hochschulwebsite, ist bereits geplant. Die Betreuung und Weiterentwicklung erfordert außerdem erhebliche personelle und zeitliche Ressourcen. Um dem wachsenden Bedarf gerecht zu werden, sind digitale Assistenzsysteme geplant, die künftig skalierbare Lösungen ermöglichen sollen: darunter KI-gestützte Empfehlungen, automatisiertes Peer-Matching oder intelligente Feedbacktools. Erste Konzepte dazu liegen vor und werden schrittweise in enger Abstimmung mit Datenschutz, IT und Didaktik getestet.
3.4 Chancen und erste Erfolge
Trotz der genannten Herausforderungen zeigt sich bereits jetzt ein deutlicher Mehrwert dieser Angebote sowohl auf individueller als auch auf institutioneller Ebene. Die Angebote stoßen bei den teilnehmenden Studierenden auf durchweg positive Resonanz. Bereits während der Veranstaltungen erhalten wir Feedback – sowohl mündlich als auch über den Chat. Zusätzlich führen wir regelmäßig Evaluationen durch, zum Beispiel mit Mentimeter, die uns unmittelbare Rückmeldungen liefern. Langfristige Rückmeldungen erfolgen darüber hinaus über umfassendere Schulungsevaluationen, die systematisch ausgewertet werden.
Die Angebote stärken nicht nur die digitalen Kompetenzen der Studierenden, sondern fördern auch ihre Motivation und soziale Einbindung im Studium.Besonders bewährt haben sich Formate, die strukturierte Lernphasen mit Raum für Austausch und Selbstreflexion verbinden. So schaffen Veranstaltungen wie das online „Writing Retreat“, das fokussierte Schreibphasen, Gruppenimpulse und bewusst gesetzte Pausenmethoden kombiniert, eine motivierende Lernumgebung, die regelmäßig stark nachgefragt wird. Die Auswertung des vergangenen Jahres zeigt: 48,9 Prozent der Teilnehmenden gaben an, Fortschritte bei unserer Veranstaltung gemacht zu haben, 42,4 Prozent berichteten, sie hätten größtenteils Fortschritte erzielt. Auch die KI-Workshop-Reihe „ChatGPT & Co“ oder niedrigschwellige Formate wie die „Coffee Lectures“ und die offenen Sprechstunden im Teams-Kanal werden kontinuierlich gut angenommen. Nicht zuletzt, weil sie praktische Relevanz mit einem barrierearmen Zugang verbinden.
Rückmeldungen aus diversen regelmäßigen Evaluationen und dem direkten Austausch mit Studierenden zeigen, dass das stetig wachsende Angebot auch ein wachsendes Gefühl von Orientierung, fachlicher Sicherheit und sozialer Zugehörigkeit schafft. Viele Studierende berichten, dass sie durch die Angebote erstmals gezielt neue Tools ausprobiert, konkrete Recherche- oder Schreibstrategien entwickelt oder sich intensiver mit anderen über wissenschaftliches Arbeiten ausgetauscht haben. Neben fachlichen Kompetenzen wie Quellenkritik, Literaturverwaltung oder KI-Nutzung werden so auch überfachliche Fähigkeiten gestärkt – etwa Selbstorganisation, Umgang mit Ambiguität, Feedbackkompetenz oder kollaboratives Arbeiten im digitalen Raum.
All dies verdeutlicht: Ein digitaler Lernraum ist mehr als ein digitales Zusatzangebot. Er ist ein lebendiger Lernraum mit Community-Potenzial, der Studierende dazu befähigt, ihr Studium aktiv mitzugestalten. Die Kombination aus offener Infrastruktur, partizipativen Formaten und gezielter didaktischer Gestaltung zeigt, wie nachhaltige Wirkung erzielt werden kann. Der DLS fördert Selbstwirksamkeit, Vernetzung und digitale Teilhabe – und erweist sich damit als zukunftsfähiges Modell, das sich innerhalb der IU Internationale Hochschule weiter ausbauen und perspektivisch auch hochschulübergreifend übertragen lässt.
4 Ausblick und Empfehlung
Die bisherigen Erfahrungen mit dem Digital Learning Space der Library and Information Services machen deutlich, welches Potenzial in einem didaktisch fundierten digitalen Lernraum liegt. Was heute bereits Wirkung zeigt, wie niedrigschwellige Zugänge, persönliche Begleitung und soziale Lernangebote, bildet die Grundlage für weiterführende Entwicklungen. Digitale Dritte Orte können tragfähige Modelle für eine zukunftsorientierte Hochschulbildung werden. Sie bieten Raum für neue Möglichkeiten für Lernwege, die sich an individuellen Lernverläufen, Kompetenzen und Zielen orientieren, für Vernetzung und aktives Mitgestalten. Genau dort, wo klassische Lernumgebungen oft an ihre Grenzen stoßen. Zukünftig eröffnen sich vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten: Die Integration von Künstlicher Intelligenz könnte es ermöglichen, adaptive Lernpfade zu gestalten, die sich an den individuellen Lernverläufen und Bedürfnissen der Studierenden orientieren. Gleichzeitig bietet das Konzept des DLS Potenzial für bibliotheks- und hochschulübergreifende Kooperationen – zum Beispiel durch gemeinsame digitale Lernräume, interdisziplinäre Projekte und internationale Peer-Learning-Initiativen. Eine weitere zentrale Perspektive liegt in der didaktischen Aufwertung von Bibliotheken. Sie sollten nicht nur als infrastrukturelle Unterstützungsinstanzen verstanden werden, sondern als strategische Partnerinnen in der Konzeption und Umsetzung digitaler Lehre. Gerade hier entfaltet bibliothekspädagogische Expertise ihre Wirkung – im Brückenschlag zwischen Lerntechnologie, inhaltlicher Qualität und didaktischer Reflexion.
Angesichts wachsender gesellschaftlicher Komplexität, zunehmender Diversität und der fortschreitenden Digitalisierung von Bildungsprozessen ist eines klar: Es braucht Lernräume, die nicht nur funktional, sondern auch gemeinschaftsstiftend sind. Räume, die Flexibilität mit Orientierung, Technik mit Menschlichkeit und Struktur mit Offenheit verbinden. Der Digital Learning Space steht exemplarisch für einen solchen Ort. Er zeigt, wie eine digitale Lernumgebung entstehen kann, die Studierende nicht nur fachlich stärkt, sondern ihnen das Gefühl gibt, verbunden, befähigt und Teil einer lebendigen Lernkultur zu sein.
Anmerkungen
ORCID der Autorin
Kira Hoffmann: 0009-0005-6440-5781
Interessenkonflikte
Die Autorin erklärt, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel hat.
Literatur
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[3] Wittich A, Keller-Loibl K, Petschenka A, Tappenbeck I. Bibliothekspädagogik, Informationsdidaktik, Medienpädagogik: Aspekte und Handlungsfelder in und aus der Praxis: Ergebnisse des Hands-On-Lab. o-bib – Das offene Bibliotheksjournal. 2023;10(4):1-7. DOI: 10.5282/o-bib/5977
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[5] Finlay SC, Haddon J. Digital Libraries as Digital Third Place: Virtual Programming in the Age of Loneliness. In: 23rd Brick & Click Libraries Conference Proceedings; 2023 Nov 3. 2023 [zitiert am 27. Mai 2025]. (Criss Library Faculty Proceedings & Presentations; 141). Verfügbar unter: https://digitalcommons.unomaha.edu/crisslibfacproc/141
[6] IU Internationale Hochschule. IU Lernreport 2024: So lernt Deutschland – Daten, Fakten, Perspektiven. Erfurt: IU Internationale Hochschule; 2024. Verfügbar unter: https://www.iu.de/forschung/studien/lernreport-2024/
[7] Association of College and Research Libraries (ACRL). Framework for Information Literacy for Higher Education. 2015 [zitiert am 27. Mai 2025]. Verfügbar unter: https://www.ala.org/sites/default/files/acrl/content/issues/infolit/Framework_ILHE.pdf
[8] Association of College and Research Libraries (ACRL). Framework Informationskompetenz in der Hochschulbildung. o-bib – Das offene Bibliotheksjournal. 2021;8(2):1-29. DOI: 10.5282/o-bib/5674
[9] John MK, Thomas WK. An Application of the ARCS Model of Motivational Design. In: Reigeluth CM, Hrsg. Instructional Theories in Action Lessons Illustrating Selected Theories and Models. Hillsdale: Routledge; 1987.
[10] Zander S, Heidig S. Motivationsdesign bei der Konzeption multimedialer Lernumgebungen. In: Niegemann H, Weinberger A, Hrsg. Lernen mit Bildungstechnologien: Praxisorientiertes Handbuch zum intelligenten Umgang mit digitalen Medien. Berlin, Heidelberg: Springer; 2018. S. 1-23.
[11] Sweller J, Ayres P, Kalyuga S. Cognitive Load Theory. New York, NY: Springer; 2011.
[12] Sweller J. Discussion of the special issue on cognitive load theory. British Journal of Educational Psychology. 2023;93:402-10.