Vergleich der Ergebnisse automatischer Real-Ear-Messungen (Real Ear Measurements – AutoREM) bei unterschiedlichen Insitu-Messanlagen für verschiedene Hörsysteme
Steffen Kreikemeier 1Daniel Andres 1
Gülfidan Esme 1
Tom Gallo 1
Elnaz Noorbakhsh 1
Philipp Stahl 1
1 Hochschule Aalen, Deutschland
Zusammenfassung
Das automatische Real Ear Measurement (AutoREM) ist nicht nur einfach durchzuführen, sondern auch reproduzierbar und an die spezifischen Vorgaben der Hörgerätehersteller angepasst. Die Anpassung der Hörgeräte und die Steuerung der Insitu-Messanlage wird von der Anpasssoftware über das IMC Protokoll 2 gesteuert, wobei die Hörgeräteparameter entsprechend der Messung der Insitu-Anlage nachgeregelt werden. In der vorliegenden Studie wurden die AutoREM-Anpassungsergebnisse zweier unterschiedlicher Insitu-Messanlagen miteinander verglichen und die Test-Retest-Reliabilität der Sondenschlauchplatzierung untersucht. Die Ergebnisse zeigten eine hohe Reproduzierbarkeit der Sondenschlauchplatzierung. Um die Reproduzierbarkeit zu bestimmen, wurden sowohl Messungen mit als auch ohne erneute Platzierung des Schlauchs durchgeführt. In der Praxis wird der Sondenschlauch immer neu gesetzt, weshalb die Messung ohne erneute Platzierung als eine Art Referenz angesehen werden kann. Bei der Insitu-AutoREM-Anpassung innerhalb eines Hörgeräteherstellers und einer Insitu-Messanlage zeigte sich ebenfalls eine hohe Wiederholgenauigkeit, jedoch wurden Unterschiede im Frequenzgang und in der Dynamik zwischen zwei unterschiedlichen Insitu-Messanlagen festgestellt. Bei der Interpretation der Ergebnisse muss darauf geachtet werden, dass nicht die Messergebnisse der Real Ear Aided Response (REAR), der Real Ear Insertion Response (REIR) oder Verstärkungswerte (Real Ear Aided/Insertion Gain – REAG/REIG) miteinander verglichen werden. Es konnte bestätigt werden, dass das AutoREM eine effiziente und reproduzierbare Methode zur Insitu-Anpassung von Hörgeräten ist, jedoch müssen Abweichungen zwischen verschiedenen Messanlagen und den Zielen aus der Anpasssoftware berücksichtigt werden.
Schlüsselwörter
Insitu-Anpassung, Hörgeräte, AutoREM, NAL-NL2, Präskription
Einleitung
Das AutoREM hat sich in den letzten Jahren etabliert und stellt eine einfache Möglichkeit der Insitu-Anpassung dar. Diese ist nicht nur einfach durchführ-, sondern auch reproduzierbar [1] und zudem angepasst an die herstellereigenen Präskriptionen, welche ansonsten in den Messanlagen nicht zur Verfügung stehen. Im Fall des AutoREM (die Bezeichnung in der Anpasssoftware der Hersteller variiert je nach Hörgerätehersteller) wird die Insitu-Anlage von der Anpasssoftware über das IMC Protokoll 2 gesteuert und die Anpassziele vorgegeben. Eine Nachregelung der Hörgeräteparameter erfolgt entsprechend der Messung der Insitu-Anlage. In der vorliegenden Pilotstudie wurden die AutoREM-Anpassergebnisse zweier unterschiedlicher Insitu-Messanlagen miteinander verglichen. Zudem wurde die Test-Retest-Realibilität der Sondenschlauchplatzierung untersucht, um Abweichungen durch die Platzierung des Schlauchs auszuschließen.
Material und Methoden
Die AutoREM-Anpassung sollte bei unterschiedlichen Hörsystemherstellern sowohl mit der Aurical (Version 4.87.00) als auch der Affinity 2.0 (Version 2.15) funktionieren. Im Rahmen dieser Pilotstudie zeigte sich jedoch, dass trotz Herstellerangabe ein AutoREM mit älteren, aber kompatiblen Softwareversionen nicht möglich war. Diese technischen Probleme konnten erst nachträglich durch Updates der Messanlagensoftware behoben werden, obwohl die installierte Software ausdrücklich als geeignet bezeichnet wird. Untersucht wurden die Reproduzierbarkeit der Sondenschlauchplatzierung, die Abweichung zwischen den Ergebnissen des AutoREM an zwei Messanlagen bei einem Hörgerät und die Vergleichbarkeit der Anpassformeln NAL-NL2 bei zwei Insitu-Messanlagen. Als Hörverlust wurde ein Normhörverlust N2 [2] genutzt. Um die Endergebnisse der AutoREM-Anpassung miteinander vergleichen zu können, wurde abschließend das angepasste Hörsystem mit einem Aurical-Messsystem nachgemessen, auch wenn es zuvor an einem Affinity 2.0 Messsystem per AutoREM eingestellt wurde. So konnte sichergestellt werden, dass die zu vergleichenden Ausgangspegel des Hörgerätes unter gleichen Bedingungen, wie Signaleigenschaften oder Filterbandbreiten der Messanlage, gemessen wurden. Es erfolgten je fünf Messdurchläufe. Da nur ein Hörgerätehersteller das AutoREM auch am 2-ccm-Kuppler ermöglicht und die Anpassungen in der Regel in situ erfolgen, wurden die Messungen an einem künstlichen Gehörgang durchgeführt. Auf diese Weise konnte der immer gleiche Sitz des Hörers der Hörsysteme sichergestellt werden.
Ergebnisse
Die Ergebnisse zeigen eine sehr hohe Reproduzierbarkeit der Messergebnisse bei einer Anzahl von fünf Messungen jeweils mit und ohne erneute Sondenschlauchplatzierung. Die Reproduzierbarkeit der Insitu-Messung ohne erneute Platzierung zwischen den Messungen ergab eine maximale Standardabweichung der REAR von 0,6 dB. Bei einer erneuten Platzierung des Sondenschlauchs zwischen den Messungen ergab sich eine maximale Standardabweichung von bis zu 3,6 dB mit einer Spannweite von 3,1 dB (vgl. Abbildung 1 [Abb. 1]).
Abbildung 1: Standardabweichung der REAR pro Frequenz bei fünf Insitu-Messungen mit und ohne Neuplatzierung des Insitu-Schlauchs zwischen den Messungen
Diese Messgenauigkeit zeigte sich auch bei der Insitu-AutoREM-Anpassung innerhalb eines Herstellers und einer Insitu-Messanlage. Beim Vergleich eines Hörsystems, angepasst mit zwei unterschiedlichen Insitu-Messanlagen, fallen Unterschiede im Frequenzgang, aber auch in der Dynamik auf (vgl. Abbildung 2 [Abb. 2]). Diese Abweichungen können 5 dB und mehr betragen und sind daher durchaus für die Praxis relevant.
Abbildung 2: Vergleich eines Hörsystems mit AutoREM an der Affinity (links) und der Aurical (rechts) angepasst. Die abschließende Vergleichsmessung fand an der Aurical statt, um vergleichbare Messergebnisse zu erzielen.
Es ist sicherzustellen, dass nicht Messergebnisse der Real Ear Aided Response (REAR) mit denen der Real Ear Insertion Response (REIR) oder sogar Verstärkungswerten (Real Ear Aided/Insertion Gain – REAG/REIG) verglichen werden.
Schlussfolgerung
Das AutoREM ist eine einfache und reproduzierbare Möglichkeit, eine Insitu-Anpassung durchzuführen. Abweichungen zwischen Messanlagen und zu Zielen aus der Anpasssoftware müssen allerdings berücksichtigt werden. Wird in der Praxis mit nur einem Messsystem gearbeitet, so können Erfahrungswerte gesammelt werden und die Einstellungen der Hörsysteme entsprechend angepasst werden. Die Untersuchungen werden auf eine größere Anzahl an Hörgeräteherstellern und auf unterschiedliche Präskriptionen ausgeweitet. Weiterhin zeigte sich, dass trotz Herstellerangabe nicht alle Softwareversionen von Messanlage und Fittingsoftware kompatibel sind. Daher wird empfohlen, stets mit den aktuellsten Softwareversionen zu arbeiten. Bei Verwendung der Version 2.21.1 (Affinity 2.0) und Version 4.87.0.10 (Aurical) konnte eine AutoREM-Anpassung bei allen führenden Herstellern durchgeführt werden.
Anmerkungen
Konferenzpräsentation
Dieser Kurzbeitrag wurde bei der 26. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie präsentiert und als Abstract veröffentlicht [3].
Interessenkonflikte
Die Autorinnen und Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.
Literatur
[1] Denys S, Latzel M, Francart T, Wouters J. A preliminary investigation into hearing aid fitting based on automated real-ear measurements integrated in the fitting software: test-retest reliability, matching accuracy and perceptual outcomes. Int J Audiol. 2019 Mar;58(3):132-40. DOI: 10.1080/14992027.2018.1543958[2] Bisgaard N, Vlaming MS, Dahlquist M. Standard audiograms for the IEC 60118-15 measurement procedure. Trends Amplif. 2010 Jun;14(2):113-20. DOI: 10.1177/1084713810379609
[3] Kreikemeier S, Esme G, Andres D, Gallo T. Vergleich der Ergebnisse automatischer Real-ear-Messungen (real-ear meusurements – AutoREM) bei unterschiedlichen Insitu-Messanlagen in Abhängigkeit verschiedener Hörsysteme. In: Deutsche Gesellschaft für Audiologie e.V., editor. 26. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Audiologie. Aalen, 06.-08.03.2024. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2024. Doc116. DOI: 10.3205/24dga116