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GMS Journal for Medical Education

Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA)

2366-5017


Dies ist die deutsche Version des Artikels. Die englische Version finden Sie hier.
Forschungsarbeit
Lehren und Prüfen

[Präsenzlehre versus Online-Lehre im physiologischen Praktikum – führt dies zu unterschiedlichen Prüfungsergebnissen?]

Tom Dreyer 1
Symeon Papadopoulos 2
Rudolf Wiesner 3
 Yassin Karay 4


1 Universität zu Köln, Medizinische Fakultät, Köln, Deutschland
2 Universität zu Köln, Medizinische Fakultät, Institut für Neurophysiologie, Köln, Deutschland
3 Universität zu Köln, Medizinische Fakultät, Institut für Systemische Physiologie, Köln, Deutschland
4 Universität zu Köln, Medizinische Fakultät, Studiendekanat, Köln, Deutschland

Zusammenfassung

Hintergrund: Aufgrund der Kontaktbeschränkungen während der Corona-Pandemie wurde die Lehre am Zentrum für Physiologie und Pathophysiologie der Universität zu Köln zeitweise für einen Teil der Studierenden online und für den anderen Teil der Studierenden in Präsenz angeboten. Da es verschiedene Auffassungen zur Wirksamkeit von Online-Lehre gibt, wurden in dieser Studie die Prüfungsergebnisse der Studierenden zwischen den Unterrichtsformaten (Präsenz vs. Online) verglichen.

Methoden: Im Wintersemester 2021/22 haben insgesamt 198 Studierende des vierten vorklinischen Semesters am Kurs Physiologie teilgenommen. Die Studierenden wurden auf 15 Praktika randomisiert aufgeteilt, so dass das Praktikum entweder klassisch in Präsenz (Face-to-face; FtFgroup) oder als Online-Praktikum via Zoom® (Ogroup) absolviert wurde. Je Prüfling wurde das Unterrichtsformat und die erreichte Punktzahl pro Frage der Prüfung erfasst. Die Unterschiede beim Testscore wurden mit Hilfe des zweiseitigen t-Tests berechnet. Die Effektstärke wurde mit Cohen’s d ermittelt. Als Maß des Zusammenhangs wurde der Spearman’sche Rangkorrelationskoeffizient verwendet.

Ergebnisse: Im Vergleich mit der Ogroup (M=7,02) erzielte die FtFgroup (M=7,38) im Durchschnitt einen signifikant höheren Testscore. Die Effektstärke war gering (Cohens’d=0,135). Bei 14 Themengebieten schloss die Face-to-Face-Gruppe besser ab als die Online-Gruppe. Der Korrelationstest nach Spearman zwischen Anzahl an FtF-Teilnahmen und den erzielten Testpunkten erreicht einen Wert von r=0,236 (p<.001).

Schlussfolgerung: Unsere Studie zeigt, dass Studierende, die klassischen Präsenzunterricht absolviert haben, tendenziell besser bei der schriftlichen Klausur abschneiden. Dies kann multifaktoriell bedingt sein. Jedoch bietet auch der Online-Unterricht einige Vorteile, wie z.B. örtliche und zeitliche Flexibilität für die Studierenden. Die Wahl zwischen einem Online- und einem Präsenzpraktikum sollte auf den spezifischen Anforderungen des jeweiligen Kurses basieren. Idealerweise würde eine hybride Lösung, die die Vorteile beider Formate kombiniert, ein effektives Unterrichtsformat darstellen. Daher ist es unumgänglich, Bildungspraktiken kontinuierlich zu überprüfen.


Schlüsselwörter

medizinische Lehre, Physiologie, Online-Lehre, Präsenzlehre, Prüfungsergebnisse

Einleitung

Die Bildungslandschaft hat in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Transformation durchlebt, die in erster Linie durch die rasante Entwicklung digitaler Technologien und deren Integration in die tägliche Lehrpraxis vorangetrieben wurde. Insbesondere der Online-Unterricht hat sich zu einem integralen Bestandteil des modernen Bildungssystems entwickelt. Dieser Paradigmenwechsel wurde durch verschiedene Faktoren wie die Globalisierung, die Verfügbarkeit von High-Speed-Internet und die COVID-19-Pandemie beschleunigt [1], [2], [3]. Online-Unterricht bezieht sich auf jegliche Art von Fernunterricht, bei dem die Lernenden nicht im selben Raum wie die Lehrpersonen sind [4]. Dies kann über verschiedene Plattformen und Tools wie Videokonferenzen, E-Learning-Systeme oder Webinare erfolgen.

Während der COVID-19-Pandemie stand auch das Zentrum für Physiologie und Pathophysiologie der Universität zu Köln vor der Herausforderung, seinen Praktikumsunterricht zusätzlich zum Format in Präsenz auch Online synchron via Zoom® anzubieten, um die damals geltenden Kontaktbeschränkungen einzuhalten. Aufgrund der Begrenzung der Personendichte pro Unterrichtsraum konnten nicht alle Studierende alle Praktika in Präsenz absolvieren. Im Rahmen des Praktikums wurden die Studierenden deshalb randomisiert entweder auf Online- oder Präsenzunterricht aufgeteilt.

Online-Unterricht kann einige Vorteile wie Flexibilität, Zugänglichkeit und Zeitersparnis bieten. Es gibt aber auch Bedenken hinsichtlich der Eignung des Online-Formats im Hinblick auf die zu vermittelnden Inhalte. Einige Studien haben auf wichtige Herausforderungen wie mangelnde soziale Interaktion, Ablenkungen zu Hause und die Notwendigkeit von Selbstdisziplin hingewiesen [5]. Diese Faktoren könnten deswegen mittelbar die Prüfungsleistung der Studierenden beeinflussen. Es ist bekannt, dass verschiedene Unterrichtsformate unterschiedliche Auswirkungen auf das Lernen haben können. So haben Studien beispielsweise gezeigt, dass Studierende in klassischen, interaktiven Unterrichtsformaten wie Seminaren, Gruppenarbeit oder Diskussionsrunden oft besser abschneiden als in traditionellen Vorlesungen, da sie auf ihren eigenen Lernprozess aktiv einwirken können [6]. Allerdings gibt es bislang nur wenige Untersuchungen, die sich speziell mit dem Zusammenhang zwischen dem Abschneiden in einer Klausur und dem Vergleich zwischen Online- und Präsenzunterricht in der medizinischen Lehre beschäftigen.

Im Rahmen dieser Studie sind wir genau dieser Frage nachgegangen und untersuchen, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Unterrichtsformat (Präsenz vs. Online) und dem Abschneiden in der abschließenden Klausur gibt. Unsere Ergebnisse sollen dazu beitragen, den Einsatz von Online-Unterricht in der Hochschulbildung weiter zu optimieren und damit insgesamt die Qualität des Lernens zu verbessern.

Methoden

Bildungskontext

Das Medizinstudium in Deutschland führt zum Abschluss des Staatsexamens und berechtigt zur Ausübung des Arztberufs. Die Mindeststudienzeit beträgt 12 Semester und 3 Monate (inklusive Examensvorbereitung). An der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln findet das Studium der Humanmedizin seit dem Wintersemester 2003/04 als Modellstudiengang statt [7]. Die Basis der Lehre bildet ein systematischer Unterricht in den klassischen Fachgebieten ergänzt durch interdisziplinäre, praxisorientierte, patientenorientierte sowie wissenschaftsorientierte Lehre. Das Kölner Curriculum besteht aus einem ersten (2 Jahre) und einem zweiten Studienabschnitt (3 Jahre) sowie dem sich anschließenden Praktischen Jahr (1 Jahr). Im ersten Abschnitt erlernen die Studierenden insbesondere die Grundlagen der Naturwissenschaften und der Medizin. Die Fächer umfassen unter anderem Allgemeinmedizin, Biologie, Physik, Chemie, Anatomie, Biochemie, Physiologie, Histologie sowie medizinische Psychologie und Soziologie.

Das Fach Physiologie besteht in Köln aus einer Vorlesungsreihe über 85 Unterrichtsstunden, einem Praktikum inklusive Seminar und einer Abschlussprüfung. Im Kölner Curriculum wird das Fach Physiologie im vierten vorklinischen Semester gelehrt. Die Studierenden müssen insgesamt 16 anwesenheitspflichtige Praktika inkl. Seminare mit folgenden Themen absolvieren: Nerv, Dioptrik/Retina, Energieumsatz, Psychophysiologie, Elektroenzephalo-graphie (EEG), motorische Reflexe, pH-Regulation, Herzelektrophysiologie, Herzmechanik, Akustik/Gleichgewicht, vegetatives Nervensystem (VNS), Kreislauf, Lungenfunktion, Muskel, Nierenphysiologie und Blut. Jedes Praktikum umfasst 7 Unterrichtsstunden mit typischerweise 1,5 Unterrichtsstunden theoretischer Einführung, einer 45-minütigen Pause, gefolgt von themenspezifischen Experimenten und einer Nachbesprechung der Ergebnisse.

Die Studierenden mussten durchschnittlich 2 bis 3 Praktika pro Woche absolvieren. Für jedes Thema gab es schriftliche Anweisungen. Die Studierenden hatten die Aufgabe, Protokolle zu verfassen, in denen sie die Ergebnisse der Experimente beschreiben und diskutieren. Im Gegensatz zum Präsenzpraktikum konnten die Studierenden im Online-Praktikum die praktischen Experimente nicht selbst durchführen, die daher vom Lehrpersonal via Videokonferenz (Zoom®) live demonstriert und interaktiv erklärt wurden. Die Videokonferenzen im Rahmen des Praktikums wurden nicht aufgezeichnet, um den Studierenden eine möglichst unbeschwerte Lernumgebung zu bieten, ähnlich dem Ablauf im Präsenzpraktikum. Einige der Versuche fanden auch im Face-to-Face Setting an Simulationsprogrammen statt. Diese Programme wurden den Studierenden mittels Lizenzfreigabe zur Verfügung gestellt. Die Vorlesungen fanden für alle online via Zoom® statt. Die Zoom-Vorlesungen wurden live gehalten, aufgezeichnet und standen ausschließlich den Studierenden des Kurses nach dem Upload im universitären E-Learningsystem ILIAS® bis zur Prüfung und darüber hinaus zur Verfügung. Die Studierenden wurden im Vorfeld über die Aufzeichnung in Kenntnis gesetzt. Aufgezeichnet in Bild und Ton wurden nur die Dozierenden.

Die Abschlussprüfung fand wie in den Jahren zuvor auch für alle Studierende zeitgleich in Präsenz statt und dauerte 150 Minuten. Insgesamt bestand die Prüfung aus 40 offenen Fragen. Pro Frage konnten maximal 4 Punkte erzielt werden, so dass maximal 160 Punkte erreicht werden konnten. Die Mindestpunktzahl zum Bestehen der Prüfung lag bei 60%=96 Punkten. Die Prüfungsfragen wurden von den Lehrkräften erstellt, die die entsprechenden Praktikumsthemen betreut hatten. Jedes Thema war mit 2 bzw. 3 Fragen vertreten: Je 2 Fragen zu Nerv, Dioptrik/Retina, Energiehaushalt, Psychophysiologie, EEG, Reflexe, pH-Regulation und Herzelektrik, je 3 Fragen zu Herzmechanik, Akustik/Gleichgewicht, VNS, Kreislauf, Atmung, Muskel, Blut und Nierenphysiologie. Für die spezifische Gruppe von Studierenden in dieser Studie lag Cronbachs Alpha bei 0,92 [8]. Die Bestehensquote der Abschlussklausur lag bei 84% und entsprach den Bestehensquoten der Vorsemester. Der Mittelwert der Bestehensquoten über die letzten 7 Semester betrug 83,7%, wobei die Schwankungsbreite nicht größer als +/-5% war.

Stichprobe und Randomisierung

Im Wintersemester 2021/22 haben insgesamt 198 Erstteilnehmerinnen und Erstteilnehmer des vierten vorklinischen Semesters regelmäßig am Kurs Physiologie teilgenommen. Da es sich um ein anwesenheitspflichtiges Praktikum handelt, gab es keine No-Shows. Repetenten, Langzeitstudierende und Abbrecher wurden bei der Analyse nicht berücksichtigt, um Verzerrungen bei den Ergebnissen zu minimieren. Für 15 der 16 Praktika wurden die 198 Studierenden randomisiert in zwei Gruppen unterteilt. Beim Thema Kreislauf wurden die Studierenden nicht randomisiert zugeteilt, sondern mussten persönlich erscheinen, in Form von zeitlich versetzt teilnehmenden Halbgruppen. 16 Studierende mussten dennoch das Praktikum „Kreislauf“ online absolvieren, weil entweder eine Corona-Infektion bestand oder ein ärztliches Attest vorgelegt wurde, welches die Betroffenen von der Teilnahmepflicht am Präsenzunterricht befreite. Die Randomisierung erfolgte für die 15 Praktikumsthemen alternierend: Die Studierenden, die für ein bestimmtes Thema der Online-Gruppe (Ogroup) zugeteilt wurden, mussten das Praktikum vollständig online via Zoom® absolvieren, während die Studierenden in der Face-to-Face Präsenzgruppe (FtFgroup) das gleiche Thema in den Räumen des Instituts in Präsenz absolvierten. Für das sich daran anschließende Thema war es umgekehrt, u.s.w. Von der Einteilung durfte nur abgewichen werden, wenn beispielsweise Studierende aufgrund einer Corona-Infektion oder aufgrund anderer schwerwiegender Gründe nicht am Präsenzunterricht teilnehmen durften bzw. nicht am Online-Unterricht teilnehmen konnten. Im Durchschnitt absolvierten die Studierenden 8,6 Praktika in Präsenz, bei einer Standardabweichung von 1,7. Vier Studierende besuchten ausschließlich Online-Praktika. Zwei Studierende absolvierten das Maximum von 11 Präsenzteilnahmen. Die Verteilung der Studierenden auf das Unterrichtsformat pro Praktikumsthema kann der Abbildung 1 [Abb. 1] entnommen werden.

Abbildung 1: Verteilung der Studierenden auf Präsenz- und Online-Lehre

Nur in einem Fall, „Atmung“, war die Anzahl der Studierenden gleichmäßig auf Online- und Präsenzseminare verteilt. Bei sechs der Kursseminare gab es mehr Online-Teilnehmer als bei den Präsenzkursen, bei den übrigen 9 Themen war es umgekehrt, wobei das Praktikum „Kreislauf“ mit 182 Präsenzteilnehmenden gegenüber 16 Online-Teilnehmern das Extrem an Präsenzunterricht darstellte.

Statistische Analysen

Pro Teilnehmerin und Teilnehmer wurden die Art der Teilnahme am Praktikum (Ogroup oder FtFgroup) und die erreichte Punktzahl pro Frage der Prüfung erfasst. Zu jedem Thema gab es mindestens 2, maximal 3 Prüfungsfragen, die jeweils mit maximal 4 Punkten bewertet wurden (Anzahl der Fragen pro Thema siehe oben). Der Testscore (Tscore) pro Thema wurde für jeden einzelnen Studierenden berechnet. Im Rahmen dieser Studie wurde keine Analyse des Abschneidens bei der Prüfung nach demografischen Merkmalen erhoben.

Im ersten Schritt haben wir mit Hilfe des zweiseitigen t-Tests unter der Annahme unabhängiger Stichproben untersucht, ob Unterschiede beim Testscore zwischen den Face-to-Face-Gruppen (FtFgroup) und den Online-Gruppen (Ogroup) bestehen. Den statistischen Tests wird eine Irrtumswahrscheinlichkeit von kleiner 5% zugrunde gelegt, d.h. p-Werte unter 0,05 werden als statistisch signifikant angesehen. Um die Unterschiede zwischen diesen beiden Gruppen zu quantifizieren, haben wir zudem die Effektstärke basierend auf Cohen‘s d berechnet. Die Effektstärke nach Cohen’s d kann Werte zwischen -∞ bis +∞ annehmen. Das Maß kann als klein |0,2|, mittel |0,5| oder groß |0,8| definiert werden [9]. Im zweiten Schritt haben wir zur Messung der Stärke und Richtung des Zusammenhangs zwischen der Anzahl an FtF-Teilnahmen und den erzielten Testpunkten den Rangkorrelationskoeffizienten nach Spearman verwendet. Der Korrelationskoeffizient kann Werte zwischen -1 und +1 annehmen. Der Zusammenhang kann als klein |0,1|, mittel |0,3|, groß |0,5|, sehr groß |0,7| definiert werden [9]. Das Vorzeichen des Korrelationskoeffizienten gibt die Richtung des Zusammenhangs an.

Ergebnisse

Der Tabelle 1 [Tab. 1] können die Unterschiede bei den erzielten Testpunkten (Tscore) pro Thema und gesamt zwischen den Face-to-Face-Gruppen (FtFgroup) und den Online-Gruppen (Ogroup) entnommen werden. Da beim Thema „Kreislauf“ keine Randomisierung stattgefunden hat, werden die Ergebnisse zum Thema Kreislauf nur der Vollständigkeit halber präsentiert und bei der anschließenden Diskussion vernachlässigt. Entsprechend werden die Gesamtergebnisse einmal ohne, einmal mit Einbeziehung des Themas „Kreislauf“ dargestellt.

Tabelle 1: Unterschiede und Effektstärken zwischen Präsenz- und Online-Lehre

Das Gesamttestergebnis ohne das Thema Kreislauf zeigt, dass die FtFgroup im Durchschnitt 7,38 Punkte pro Thema erzielt hat. Die Ogroup erzielte dagegen im Durchschnitt weniger Punkte (M=7,02). Der Unterschied ist auf dem 1%-Niveau signifikant bei geringer Effektstärke (Cohens’d=0,135). Bei 14 Themen schnitt die FtF-Gruppe besser ab als die Online-Gruppe. Die Unterschiede bei den Themen Nerv, pH und Muskel waren auf dem 5%-Niveau signifikant, bei jeweils kleiner Effektstärke. Bei den Themen Dioptrik, Psycho, HerzElek und VNS wurde das 5%-Signifikanzniveau nur knapp überschritten. Nur beim Thema EEG erreichten die Studierenden aus den Online-Gruppen marginal mehr Punkte (M=6,19) als die FtF-Gruppe (M=6,06). Der Unterschied ist allerdings nicht signifikant.

Die Fragen zum Thema Kreislauf wurden von den 182 Studierenden, die vor Ort unterrichtet wurden, signifikant besser beantwortet als von den 16 Studierenden, die im Online-Format unterrichtet wurden (Ogroup, M=7,81 vs. FtFgroup, M=9,47).

Die Korrelation nach Spearman zwischen Anzahl an FtF-Teilnahmen und dem erzielten Testscore ist auf dem Niveau von 0,01 (2-seitig) signifikant (p<.001 der korrelationstest nach spearman erreicht einen wert von r="0,236." es besteht somit ein geringer positiver zusammenhang d.h. je h die anzahl pr eines studierenden desto mehr klausurpunkte wurden bei abschlussklausur erzielt.>

Diskussion

Die Debatte über die Eignung von Online-Unterricht via Videokonferenzen als Alternative zum traditionellen Präsenzunterricht ist in den letzten Jahren intensiver geworden. Aufgrund der Kontaktbeschränkungen im Zusammenhang der COVID-19-Pandemie mussten Bildungs-einrichtungen in kürzester Zeit neue Wege gehen, um den Unterricht aufrecht zu erhalten. Um die erlaubte Gruppengröße beim Praktikum nicht zu überschreiten, bot das Institut für Physiologie der Universität zu Köln das Praktikum im Fach Physiologie sowohl Online via Zoom (Ogroup) als auch „klassisch“ vor Ort (FtFgroup) an. Um eine weitgehend gerechte Aufteilung zu ermöglichen, wurden die Studierenden auf das unterschiedliche Format der einzelnen Praktika nach dem Zufallsprinzip aufgeteilt. Mit Hilfe der Klausurergebnisse und den erzielten Punkten in den einzelnen Fragen wurde der Frage nachgegangen, ob ein Zusammenhang zwischen dem Unterrichtsformat (Präsenz oder Online) und dem Abschneiden in der Abschlussklausur existiert. Die durchgeführten Mittelwertvergleiche der bei den einzelnen Fragen erzielten Klausurpunkte zwischen Online- und FtF-Format zeigen, dass die Studierenden im Präsenzunterricht zwar nur tendenziell, aber doch häufig signifikant besser abgeschnitten haben als die Studierenden im Online-Format. Zudem besteht ein positiver Zusammenhang zwischen der Anzahl an Präsenzteilnahmen und den insgesamt erzielten Klausurpunkten. Eine ähnliche Studie aus Thailand zeigt hingegen, dass der Online-Physiologie-Laborunterricht die gleiche Wirksamkeit hatte wie die Laborerfahrung vor Ort [10].

Eine der wichtigsten Vorteile des Präsenzunterrichts ist die nonverbale Kommunikation, einschließlich Körpersprache, Mimik und Augenkontakt, die wesentlich zur Interaktion zwischen Lehrenden und Studierenden sowie unter den Studierenden selbst beitragen [11], [12]. Ein erheblicher Teil der nonverbalen Kommunikation geht bei Videokonferenzen verloren [13]. Zudem haben Studien gezeigt, dass Lernende im Präsenzunterricht tendenziell aktiver am Unterrichtsgeschehen teilnehmen und sich stärker engagieren, da sie weniger abgelenkt sind als in Online-Umgebungen [14], [15]. Der Präsenzunterricht ermöglicht zudem die einfachere Anwendung verschiedener interaktiver Lehrmethoden wie Gruppenarbeit, Diskussionen und spontane Interaktionen, die aus Studierendensicht in Videokonferenzen oft schwerer umzusetzen sind [11]. Diese Interaktionen könnten dazu beitragen, Missverständnisse zu klären und das Verständnis der Studierenden zu vertiefen. Laut einer Studie von Freeman et al. (2007) kann interaktiver Unterricht das Lernen und die Leistung der Studierenden verbessern [6]. Die Möglichkeit, sich vor Ort aktiver am Unterricht zu beteiligen, könnte zudem die Motivation steigern. Intrinsische Motivation und das Gefühl der Autonomie sind wichtige Faktoren für erfolgreiches Lernen [16]. Da die Lehrenden im Präsenzunterricht die Reaktion der Studierenden besser wahrnehmen, als beispielsweise in einer Videokonferenz, könnten Probleme somit frühzeitig erkannt und sofortiges Feedback mitgeteilt werden. Studien von Kulik und Kulik (1988) zeigen, dass unmittelbares Feedback das Lernen fördern kann [17]. Da Studierende beim Online-Unterricht möglicherweise stärker von Ablenkungen in ihrer Umgebung betroffen sind, könnte dadurch die Konzentration und die Fähigkeit, sich auf den Lehrstoff zu fokussieren, beeinträchtigt werden. Eine Studie von Junco und Cotten (2012) zeigt, dass Multitasking während des Lernens die Leistung schmälern kann [18]. Weniger Interaktionen mit Kommilitonen und Lehrenden könnte sich ebenfalls negativ auf den Studienerfolg auswirken. Die Studie von Jaggars und Xu (2013) weist auf die Bedeutung zwischenmenschlicher Interaktion für den Studienerfolg hin [19]. Beim Online-Unterricht ist stets eine zuverlässige Internetverbindung und technisches Equipment erforderlich. Studierende, die keinen einfachen Zugang zu diesen Ressourcen haben oder am Tag des Online-Unterrichts mit technischen Herausforderungen zu kämpfen haben, könnten benachteiligt werden. Dies könnte ein wesentlicher Aspekt bei der Problematik von ungleichen Bildungschancen sein [20]. Darüber hinaus kann es durch mangelnde technologische Infrastruktur zu einer Mehrbelastung der Dozierenden durch das zum eigentlichen Unterricht hinzukommende technische Management kommen [21], was sich negativ auf die Qualität des Unterrichts auswirken kann.

Es gibt allerdings auch eine Vielzahl von Faktoren, die den Erfolg von Online-Unterricht in Form von Videokonferenzen fördern können, wie z.B. die zeitliche und örtliche Flexibilität. Online-Unterricht via Videokonferenzen bietet oft eine unabhängigere Lernumgebung für Studierende, was dazu führen könnte, die durch den Wegfall der Wegezeiten eingesparte Zeit effektiver und individueller für Lernansätze zu nutzen. Laut einer Untersuchung von Cook et al. (2010) können individualisierte Lernansätze in der medizinischen Ausbildung dazu beitragen, dass die Lernenden ihre Lernziele effizienter erreichen [22]. Entsprechend einer Metaanalyse von Cavanaugh (2009) kann Online-Unterricht effektiv sein, wenn angemessene Lernstrategien und unterstützende Technologien eingesetzt werden [23]. Beim Online-Unterricht wird oft ein höheres Maß an autonomem Lernen der Studierenden gefordert. Diese Fähigkeiten sind auch in der medizinischen Ausbildung von großer Bedeutung, denn laut einer Untersuchung von Kusurkar et al. (2011) kann selbstbestimmtes Lernen zu einem besseren Verständnis und einer besseren Anwendung von medizinischem Wissen führen [24]. Zudem ermöglichen Online-Plattformen den Einsatz innovativer Lehrmethoden und interaktiver Lernmaterialien wie Videos, Simulationen und Online-Diskussionen, die im Präsenzunterricht möglicherweise nicht verfügbar sind. Diese Ansätze können das Verständnis komplexer medizinischer Konzepte verbessern. Eine Studie von Ruiz et al. (2006) zeigt, dass multimediale Lehrmethoden das Verständnis und die Wissensretention in der medizinischen Ausbildung verbessern können [25].

Es ist jedoch zu betonen, dass die Effektivität des Online-Unterrichts stark von der Art des Kurses aber auch von den Dozierenden selbst abhängt. So ist unserer Meinung nach nicht auszuschließen, dass die Qualität des Online-Unterrichts unter anderem von der Technikaffinität der Dozierenden und das damit verbundene sinnvolle Nutzen der digitalen Medien beeinflusst wurde. Es ist auch möglich, dass die verschiedenen Formate die beobachteten Unterschiede in den Prüfungsleistungen beeinflusst haben. Im Online-Unterricht hatten die Studierenden nicht die Möglichkeit, praktische Fertigkeiten zu erlernen, die durch physische Interaktion mit Geräten und Materialien entstehen, was sich ebenfalls auf die Prüfungsleistung der Studierenden auswirken könnte, auch wenn es sich nicht um eine praktische Prüfung gehandelt hat. Kritisch zu betrachten ist auch, dass von der originären Randomisierung abgewichen werden musste, wenn Studierende aufgrund einer (Vor-)Erkrankung, z.B. einer Corona-Infektion nicht am Präsenzunterricht teilnehmen konnten. Dies könnte durchaus Einfluss auf das schlechtere Abschneiden der Online-Studierenden genommen haben. Inwieweit die Vor-(Erkrankungen) selbst Einfluss auf das Abschneiden in der Klausur hatten, ist spekulativ und wurde nicht analysiert. Da im Rahmen dieser Studie auch keine demografischen Merkmale mit einbezogen wurden, konnten Abhängigkeiten von zusätzlichen Variablen nicht adäquat berücksichtigt werden. Schließlich muss auch beachtet werden, dass die Studie auf den Standort Köln beschränkt ist.

Schlussfolgerung

In der Diskussion um Online-Unterricht versus Präsenzunterricht im Physiologie-Praktikum zeigt unsere Studie, dass Studierende, die am Präsenzunterricht teilgenommen haben, bei den anschließenden Klausurfragen tendenziell besser abschneiden. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die Wirksamkeit des Unterrichts von vielen variablen Faktoren (Interaktion, Flexibilität, Engagement, etc.) abhängt. Daher ist es ratsam, Bildungspraktiken kontinuierlich zu überprüfen und die besten Ansätze für die individuellen Bedürfnisse der Studierenden zu wählen. Idealerweise könnte eine hybride Lösung, die die Vorteile beider Formate kombiniert, eine effektive Möglichkeit bieten.

ORCIDs der Autoren

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass sie keinen Interessenkonflikt im Zusammenhang mit diesem Artikel haben.


Literatur

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