journal_logo

GMS Journal of Arts Therapies – Journal of Art-, Music-, Dance-, Drama- and Poetry-Therapy

Wissenschaftliche Fachgesellschaft für Künstlerische Therapien (WFKT)

2629-3366


Dies ist die deutsche Version des Artikels. Die englische Version finden Sie hier.
Originalarbeit
Künstlerische Therapien

Bedingungen und Effekte Künstlerischer Onlinetherapien – ein Systematisches Review und eine Wirkfaktorenkategorisierung

 Renate Oepen 1
Corinne Roy 1
Harald Gruber 1,2
Eva Paul 1

1 Fachbereich Künstlerische Therapien und Therapiewissenschaft, Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft, Alfter, Deutschland
2 Forschungsinstitut für Künstlerische Therapien (RIArT), Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft, Alfter, Deutschland

Zusammenfassung

Hintergrund: Technologischer Fortschritt fördert die Entwicklung und Verbreitung onlinebasierter Therapieformen, auch im Bereich der Künstlerischer Therapien. Bisherige Forschungsergebnisse spiegeln vielfach die Sichtweise der Therapeuten wider. Diese Übersichtsarbeit ging daher der Fragestellung nach, welche Rahmenbedingungen bei onlinebasierten Künstlerischen Therapieprogrammen bei unterschiedlichen Zielgruppen zu beachten sind, welche Effekte sich bei unterschiedlichen Probandengruppen zeigen, welche Erkenntnisse sich für zukünftige Forschung und Praxis aus den Erkenntnissen gewinnen lassen.

Methoden: Ein systematisches Literaturreview wurde durchgeführt, um aktuelle Forschungsergebnisse im Zeitraum von 2021 und 2024 zu analysieren. Die Datenbankrecherche erfolgte in APA PsycINFO, Academic Search Ultimate, APA PsycArticles, ERIC, MEDLINE, OpenDissertations, PSYNDEX Literature with PSYNDEX Tests, SocINDEX with Full Text.

Ergebnisse: Insgesamt erfüllten 11 Studien die Einschlusskriterien, 9 Studien davon bedienten sich qualitativer Methoden. Wir ermittelten die folgenden Effekte onlinebasierter Künstlerischer Therapien: (a) bei Menschen mit Behinderungen: Steigerung von Selbstvertrauen, Schaffung von sozialen Kontakten; (b) bei älteren Menschen: Förderung einer integrativen Lebenssicht; (c) bei Teilnehmenden von Maßnahmen zur Gesundheitsförderung: Stressreduktion und Wohlbefindenssteigerung. Künstlerische Onlinetherapien erscheinen besonders hilfreich zu sein bei Menschen mit erschwertem Zugang zu Präsenztherapien aufgrund geografischer, zeitlicher oder krankheitsbedingter Barrieren.

Diskussion und Schlussfolgerung: Onlinebasierte Künstlerische Therapieformate bringen sowohl erhebliche Vorteile als auch Herausforderungen mit sich, die sorgfältig adressiert und weiter systematisch erforscht werden müssen, um die bestmöglichen Therapieergebnisse bei der Durchführung Künstlerischer Therapien für unterschiedliche Patienten- und Klientengruppen zu erzielen.


Schlüsselwörter

Künstlerische Therapien, digitale Technologien, Onlinetherapie, Wirkfaktoren, Gesundheitsförderung, systematisches Review

Hintergrund

Digitale Technologien werden weltweit zunehmend in der Psychotherapie eingesetzt und ermöglichen Fernverbindungen zwischen Klienten und Therapeuten. Über deren Anwendung im Bereich der Künstlerischen Therapien war zunächst wenig bekannt [Choe, 2014; Levy et al., 2018 zit. n. Zubala et al., [1]]. Es wurden zwar computerunterstützte Technologien bereits vor der Coronapandemie entwickelt, fanden jedoch kaum Einsatz [2]. Eine Entwicklung von Kunsttherapie-Apps fand schon vor der Pandemie statt. Diese Apps bieten Tools an, die einen virtuellen Zugang zu einem Therapeuten ermöglichen oder physiologische Sensoren aufweisen und somit die Möglichkeit eröffnen, Stimmungen im Tagesverlauf zu verfolgen [3]. Insbesondere durch die isolierende Situation von Klienten während der Coronapandemie stieg der Bedarf an Onlinetherapien stark an. Dieser Sachverhalt zeigt sich an der deutlich gestiegenen Anzahl der Artikel zum Thema der onlinebasierten Kunsttherapie seit Beginn der Coronapandemie [2]. Auch auf Grund des zunehmenden technologischen Fortschritts ist von einer Steigerung der Bedeutung und der Verwendung onlinebasierter Therapieformen auszugehen, da der Zugang zur psychischen Gesundheitsfürsorge auf diese Weise erleichtert wird, die Behandlungskosten gesenkt werden können [3], [4].

Für digitale Künstlerische Therapieformen (CAT = Creative Arts Therapies) existieren in Literatur und Forschung eine Vielzahl unterschiedlicher Begriffe. Malchiodi [5] versteht darunter alle Formen technologiebasierter Medien, die Klienten bei der Schaffung von Kunst als Teil des Therapieprozesses unterstützen. Die spezielle Form der onlinebasierten Künstlerischen Therapie stellt eine Ferntherapie dar, die via Video, Chat, Telefon, virtueller Plattformen oder anderer Formen der elektronischen Kommunikation durchgeführt wird [Malchiodi, 2018 zit. n. [2]] (Anmerkung: In Deutschland wird im präventiven Kontext der Begriff „Therapie“ nicht verwendet. Es wird u.a. von künstlerischer Begleitung gesprochen. De facto finden oft therapieähnliche Interventionen statt, so dass die international unterschiedlichen Begrifflichkeiten „eHealth“, Tele-CAT, Tele-Health, Ferntherapie, Onlinetherapie und -begleitung etc.“ in diesem Artikel synonym verwendet werden).

Insbesondere für Ferntherapien erscheint es sinnvoll, im Unterschied zu Präsenztherapien, ihre besonderen Erfordernisse und Wirkweisen für unterschiedliche Zielgruppen zu ermitteln und anschließend diese Erkenntnisse für die Weiterentwicklung von Interventionskonzepten in Praxis und Forschung zu nutzen. Dieser Aspekt scheint insbesondere vor dem Hintergrund weiterführend, da aktuelle Forschungsergebnisse vielfach auf Befragungen von Therapeuten basieren, jedoch die Sichtweise der Klienten, ihre Erfahrungen, Einstellungen und Ergebnisse hingegen noch zu wenig bekannt sind [Kapitan, 2009, Edmunds, 2012, Carlton, 2014 zit. n. [1]]. Als Vorteile onlinebasierter Therapien wurden u.a. hohe Akzeptanz bei Patienten und Therapeuten benannt, die weltweite Verfügbarkeit, die gesteigerte Autonomie der Klienten. Nachteilig erschien, dass fehlende taktile Qualitäten einen bedeutenden Verlust darstellen, da die haptischen Aspekte der Kunsttherapie online nicht vermittelt werden können. Zudem gestaltete sich die Bewältigung von Krisensituationen aus der Ferne schwieriger, und der Zugang zur Online-Kunsttherapie erforderte technische Kompetenz, was den Zugang für einige Klienten einschränkte. Ethische Bedenken wurden von den Therapeuten geäußert hinsichtlich des Vertrauens in die therapeutische Beziehung und hinsichtlich des Kontrollverlusts bei der Durchführung von Online-Sitzungen, insbesondere in Krisensituationen. Darüber hinaus könnten einige Klienten gegen Online-Therapie resistent sein, obwohl dieser Widerstand durch benutzerfreundliche Technologien verringert werden kann. Schließlich kann die fehlende physische Interaktion dazu führen, dass Klienten sich von sozialen Interaktionen abkoppeln und sich isolierter fühlen [1], [2], [4], [6], [7].

In der künstlerisch-therapeutischen Forschung stellt sich immer wieder die noch nicht vollständig geklärte Frage nach den Wirkfaktoren dieser Therapieform. Insbesondere ist diese Frage auch im Hinblick auf die Effekte onlinebasierter Therapien zu stellen. In Anlehnung an Erkenntnisse aus der psychotherapeutischen Forschung kann zwischen allgemeinen und spezifischen Wirkfaktoren unterschieden werden [8], [9], [10], [11], [12]. Die Qualität der therapeutischen Beziehung klärt in der Regel mehr als 50% der Varianz des Therapieoutcomes auf [Grawe et al., 1994 zit. n. [10]]. Zu den generellen Wirkfaktoren (common factors) gehören nach Grawe die therapeutische Beziehung, die Ressourcenorientierung, Problemaktualisierung, motivationale Klärung, Problembewältigung. Bei der Analyse der Studien in dieser Übersichtsarbeit erschien die Einteilung von Grencavage und Norcross [9] zur Beschreibung allgemeiner Wirkfaktoren für die Interpretation der Ergebnisse besonders hilfreich. Die Autoren nennen die folgenden allgemeinen Wirkfaktoren: Patienten-, und Therapeutenmerkmale, Veränderungsprozesse, Behandlungsstruktur, Therapiebeziehung (vgl. Ergebnis und Diskussion).

Zu den spezifischen Wirkfaktoren künstlerischer Aktivitäten gehören u.a. die Symbolsprache der Bilder, die den Zugang zu Ressourcen schaffen und eine angstfreie Auseinandersetzung mit inneren Konflikten ermöglichen [10], [12], [13], [14], [15], [16], [17]. Künstlerische Therapien können den Einzelnen nonverbal über die Sinne erreichen und eine sukzessive Integration fördern, die zu Emotionsregulation, Transformation und therapeutischer Veränderung führen kann [15], [18], [19], [20]. In diesem Artikel liegt der Schwerpunkt der Untersuchung bei Studien, die sich visueller künstlerischer Techniken und kunsttherapeutischer Interventionen bedienen, oftmals kombiniert mit anderen Formen künstlerischer Therapien und Aktivitäten (vgl. Einschlusskriterien).

Dabei stellt sich die Frage, unter welchen Rahmenbedingungen online eine ähnlich positive gesundheitsförderliche Wirkung wie in einer Präsenztherapie erreicht werden kann. So könnte z. B. die „kunsttherapeutische Triade“ (Therapeut (Beziehung) – Klient – Kunstwerk) online nur erschwert herstellbar sein [Schaverien, 2000, Gussak und Rosal, 2016 zit. n. [1]]. Zur Gestaltung und Wirkung onlinebasierter künstlerischer Therapien bei unterschiedlichen Zielgruppen liegen wenige Forschungsergebnisse vor. Eine systematische Erforschung würde helfen, die Nutzung und die Herausforderungen onlinebasierter Kunsttherapie in unterschiedlichen Arbeitsfeldern besser zu verstehen. Denn Künstlerische Therapeuten arbeiten mit sehr unterschiedlichen Zielgruppen, mit Menschen aller Altersgruppen mit unterschiedlichen Krankheitsbildern und Symptomatiken im klinischen, rehabilitativen, präventiven Kontext. Eine Untersuchung im Hinblick auf allgemeine Wirkfaktoren erfolgte bislang unseres Wissens in diesem Kontext nicht.

Um zentrale Themen für Praktiker zu identifizieren und Forschungsbereiche zu bestimmen, sollten aktuelle Forschungsergebnisse zur Wirkung und Ausgestaltung künstlerischer Onlinetherapien zusammengefasst und synthetisiert werden. Konkret lauten daher die Forschungsfragen dieser Übersichtsarbeit:

  • Welche Rahmenbedingungen und Effekte onlinebasierter Künstlerischer Therapien zeigen aktuelle Forschungsergebnisse bei unterschiedlichen Zielgruppen?
  • Welche Erkenntnisse für zukünftige Forschung und Praxis ergeben sich daraus?

Methoden

Datenbankrecherche

In dieser Übersichtsarbeit werden aktuelle Studien analysiert, in denen künstlerisch-therapeutische Interventionen online angeboten und durchgeführt wurden. Der Untersuchungszeitraum konzentriert sich auf die Jahre 2021 bis 2024 (01.01.2021– 27.05.2024), einen Zeitraum, in dem auf Grund der Corona-Pandemie, den damit verbundenen Lockdowns zu erwarten war, dass verstärkt Online-Therapien angeboten werden mussten. Von einer höheren Nachfrage auf Seiten der Klienten auf Grund der besonderen, isolierenden Alltagsituation konnte ausgegangen werden und somit auch von einer Zunahme an Studien in diesem Zeitraum auf Grund der besonderen Situation.

Studienergebnisse aus diesem Zeitraum könnten die Forschungsfragen hinsichtlich Zielgruppenauswahl und -eignung, in Bezug auf die Beachtung spezieller Modalitäten bei der Therapiedurchführung, ihrer Wirkungsweisen beantworten. Die gewonnen Aspekte könnten für die zukünftige Erforschung von Online-Therapien und bei der Planung von Online-Angeboten berücksichtigt werden.

In dieser systematischen Übersichtsarbeit [21], [22] wurden die Studien auf Basis des PICO-Schemas recherchiert und analysiert. Das PICO- oder PICOs-Framework enthält eine Checkliste mit Elementen, die bei systematischen Übersichtsarbeiten verwendet werden, um eine explizite Darstellung der behandelten Fragen in Bezug auf Teilnehmende, Interventionen, Vergleiche, Ergebnisse und Studiendesign (Patient, Intervention, Control, Outcomes, Studydesign= PICOS) zu liefern [22], [23]. Dieser Rahmen eignet sich sehr gut zur Untersuchung therapeutischer Fragestellungen [24]. Die Suche war sehr breit angelegt (vgl. Suchkriterien), um den aktuellen Forschungsstand entsprechend den Forschungsfragen umfassend zu ermitteln und einen Überblick über alle Anwendungsbereiche und Zielgruppen zu geben.

In folgenden Datenbanken wurde recherchiert: APA PsycINFO, Academic Search Ultimate, APA PsycArticles, ERIC, MEDLINE, OpenDissertations, PSYNDEX Literature with PSYNDEX Tests, SocINDEX with Full Text. Folgende Suchbegriffe wurden verwendet: (art therapy or art psychotherapy or creative arts therapies or expressive arts therapy) AND online art therapy AND digital art therapy. Die Suchbegriffe deckten ein breites Spektrum gesundheitsbezogener künstlerischer Aktivitäten ab (Kunst, Kunsttherapie, Künstlerische Therapien [einschließlich Kunst-, Musik-, Tanz-, Theater- und Poesietherapie]) ab. Diese Suche wurde durch Publikationen ergänzt, die auf der Grundlage einer Handsuche und Expertenwissen identifiziert wurden.

In dieser Übersichtsarbeit wurde die Methode des systematischen Literaturreviews verwendet [25]:

„Works about published materials which provide an examination of recent or current literature. These articles can cover a wide range of subject matter at various levels of completeness and comprehensiveness based on analyses of literature that may include research findings. The review may reflect the state of the art and may also include reviews as a literary form” [26].

Die Ergebnisse des Reviews werden in einem narrativen, erzählerischen Format berichtet [27].

Einschluss- und Ausschlusskriterien

Einschluss

Studien, die kunsttherapeutische Interventionen, künstlerische Aktivitäten im Online-Format untersuchten, entweder ausschließlich oder in Kombination mit anderen Künstlerischen Therapien/Techniken, wurden eingeschlossen. Ein wichtiges Auswahlkriterium war, dass die Studien validierte empirische Methoden verwendeten, z. B. quantitative und/oder qualitative Datenerhebungsinstrumente oder kunstbasierte Forschungsmethoden. Die Forschung zu künstlerisch-therapeutischen Online-Therapien ist ein relativ junges Forschungsfeld. Somit wurden Studien aller Evidenztypen (I–IV) eingeschlossen, um einen umfassenden Überblick über den aktuellen Stand der Forschung in diesem Bereich zu erhalten.

Ausschluss

Studien, die keine Künstlerische Therapien/künstlerische Aktivitäten entsprechend der Einschlusskriterien untersuchten, wurden ausgeschlossen. Fallberichte und Berichte über kreative Projekte, über Interventionstools, Trainingsprogramme, Studien zu ART (=antiretroviral therapy) – Verwechslung zu „art“ (=Kunst) – wurden ausgeschlossen. Studien, die die Verwendung digitaler Medien in Präsenz untersuchten, wurden ebenfalls nicht berücksichtigt (s. auch [28]).

Die folgende Übersicht (Abbildung 1 [Abb. 1]) zeigt die einzelnen Schritte des Suchprozesses gemäß der PRISMA-Guideline [22].

Abbildung 1: Informationsfluss durch die verschiedenen Phasen der Synthese

.

Ergebnisse

Die erste Suche ergab 126 Studien, wobei nach Eliminierung von Duplikaten 86 Studien verblieben. Letztendlich identifizierten wir insgesamt 11 Studien aus dem Zeitraum 2021–2024, die die Einschlusskriterien erfüllten (siehe Tabelle 1 [Tab. 1]). Wir hielten es für notwendig, die Merkmale der ausgewählten Studien zunächst gemäß den PICOS-Kriterien [24] zu erfassen.

Tabelle 1: Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse

Die Darstellung der Ergebnisse konzentriert sich gemäß der Forschungsfragen auf die Erfahrungen, die die unterschiedlichen Probandengruppen mit künstlerischen Onlinetherapieangeboten gemacht haben, insbesondere auf Rahmenbedingungen und Effekte, Wirkungen kunsttherapeutischer/künstlerischer Onlineangebote und deren spezifischer Erfordernisse. Nicht unerwähnt soll an dieser Stelle bleiben, dass 9 Studien mit qualitativen Forschungsmethoden arbeiteten, die Studien von Roy et al. [29] und Feniger-Schaal et al. [30] bedienten sich quantitativer Methoden.

Bei den eingeschlossenen Studien konnten künstlerische Therapeuten (Experteninterviews, -befragung), Patienten in der Nachsorge nach akuter Erkrankung (Psychiatrie) sowie Menschen mit einer Behinderung (Hirnverletzung nach Schlaganfall, Menschen mit intellektuellen Entwicklungsstörungen) als Probandinnen identifiziert werden. Im Bereich gesundheitsfördernder Maßnahmen wurden Studien mit älteren Menschen [31], [32] sowie mit sich in der Isolationsphase der Pandemie interessiert zeigenden Klienten und Probanden an neuen Interventionsangeboten [29], [33] ermittelt. Im folgenden Abschnitt werden die Erfahrungen der jeweiligen Zielgruppen erörtert. In einer Übersicht werden im Anschluss die Erfahrungen der unterschiedlichen Zielgruppen allgemeinen Wirkfaktoren der Psychotherapie nach Grencavage und Norcross [9] zugeordnet (vgl. Tabelle 2 [Tab. 2]). Zusätzlich werden spezifische künstlerische Wirkfaktoren aus den allgemeinen Wirkfaktoren extrahiert.

Tabelle 2: Allgemeine Wirkfaktoren künstlerischer Onlinebegleitung bei unterschiedlichen Zielgruppen

a) Künstlerische Onlinetherapie aus der Perspektive von Therapeuten

Vier der selektiven Studien beschäftigten sich mit den Erfahrungen von künstlerischen Therapeuten mit Onlinetherapie [30], [33], [34], [35]. Eine Studie zeigte sowohl die Therapeuten- als auch die Klientenperspektive auf [2]. Die Aussagen der Therapeuten ergaben, dass künstlerische Onlinetherapie den Klienten mit unterschiedlichen Indikationen (u.a. Angst, Depression, emotionale Probleme, Verhaltensprobleme)

eine erhöhte Privatsphäre bot, die gleichzeitig zu einer Reduktion sozialer Stigmatisierung führte. Dadurch fühlten sich die Teilnehmende sicherer und weniger beurteilt [30], [34]. Zudem ermöglicht künstlerische Onlinetherapie die Überwindung geografischer und sozialer Distanzen, was insbesondere stigmatisierten Personen einen leichteren Zugang zur Therapie bot [30]. Onlinetherapie führte zu Verschiebungen in Grenzen und Machtdynamiken, da die Klienten Video und Mikrofon abschalten konnten. Andererseits wurde den Therapeuten die Möglichkeit eröffnet, Einblicke in die private Situation der Klienten zu gewinnen und somit erweiterte diagnostische Möglichkeiten zu erhalten. Die Anwesenheit von Familienmitgliedern beeinträchtigte zwar die Privatsphäre der Teilnehmende, konnte aber den Therapeuten zusätzliche diagnostische Hinweise geben [34]. Zudem konnte die Verbundenheit durch Gespräche mit Familienmitgliedern die Festigung von Themen unterstützt werden, was hilfreich bei der Klärung von Problemen war.

Onlinetherapie-Angebote förderten die Flexibilität der Klienten bei der Nutzung von Kunstmaterialien und bei der Anwendung neuer technologischer Verfahren. Denn teilweise musste das künstlerische Arbeitsmaterial selbst organisiert und selbstständig ausprobiert werden [2].

Durch Anpassungen, wie die Nutzung von Kunstmaterialien zu Hause und die Verwendung digitaler Ressourcen, wurde die Kreativität gefördert [34]. Künstlerisches Engagement und Kreativität waren bei den Therapeuten entscheidende Parameter für die Verarbeitung von Verlusten durch die pandemische Situation und unterstützten die Anpassung an die Nutzung digitaler Medien [35]. Andererseits wurde die Verwendung unterschiedlicher künstlerischer Techniken im Rahmen der Onlinetherapie eingeschränkt. Bildende/plastische Künste wurden bevorzugt eingesetzt, da sie individuell ausführbar waren [30]. Einschränkungen bei Kunstmaterialien führte zwar zu mehr Kreativität, sie boten jedoch weniger Möglichkeiten für die Teilnehmende, sich vielfältig künstlerisch auszudrücken. Es wurde beobachtet, dass Unterschiede zwischen Experten- und Anfängerfähigkeiten in Bezug auf künstlerische Vorerfahrungen der Klienten bei Onlinetherapien weniger sichtbar waren [34].

Hinsichtlich der kommunikativen Möglichkeiten in Onlinetherapien wurde beobachtet, dass die verbale Kommunikation sich erhöhte [30], nonverbale Signale und Körpersprache andererseits schwieriger wahrzunehmen waren [34]. Technische Probleme wurden als ein Hindernis beschrieben, da die digitale Kommunikation anfällig für Störungen war und der Materialaustausch sich schwieriger gestaltete als bei face-to-face-Therapien [2], [30]. Ältere Erwachsene hatten oft Schwierigkeiten bei der Anpassung an die Technologie, was zu einem Rückgang der Klientenzahlen führte. Oftmals war die Hilfe von Familienmitgliedern bei der Bewältigung technischer Erfordernisse notwendig. Die mentale Akzeptanz der Teletherapie wurde als ein entscheidender Anpassungsschritt formuliert, der den Klienten nicht immer leichtfiel [30].

Die Pandemie hat durch Anpassungen an neue therapeutische Herausforderungen zu Innovationen geführt, was das persönliche und berufliche Wachstum der Therapeuten förderte [30], [35]. Das Erleben kreativer Selbstwirksamkeit im Umgang mit den Therapieangeboten milderte negative Effekte mangelnder Computerkenntnisse bei den Therapeutinnen [35].

Ein besonderer Aspekt des Online-Therapiekontexts stellte der „vierseitige Reflexionsspiegel“ dar. Therapeut und Klient können sowohl sich selbst als auch einander auf dem Bildschirm sehen. Durch die Erstellung von Selbstporträts im Online-Medium konnten Kunsttherapeuten ein besseres Verständnis des Mediums erlangen [35], [36].

Bei der Konzeption von Onlinetherapieangeboten wurden weitere unterstützende Maßnahmen von den Therapeutinnen als notwendig angesehen. So spielt ihrer Ansicht nach psychologische Unterstützung eine wichtige Rolle bei der Milderung der Belastung für Therapeuten während herausfordernder Ereignisse wie einer Pandemie. Schließlich erfordert der Übergang zu künstlerischer Onlinetherapie ethische Richtlinien, spezifische Schulungen und die Entwicklung digitaler Methoden zur Unterstützung des kreativen Prozesses, um eine effektive und verantwortungsvolle Anwendung sicherzustellen [35].

Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung von Therapieangeboten ergab die Studie von Ganter-Argast und Bocksch [2] mit Patienten in der klinischen Nachsorge nach psychiatrischer Erkrankung einige weiterführende Hinweise. Das sogenannte „Eye-contact dilemma“ war für die Patienten irrelevant, und die prozessorientierte Arbeit an individuellen Themen erwies sich online als gut umsetzbar. Auch kunsttherapeutische Gruppenarbeit konnte mit digitalen Elementen erfolgreich umgesetzt werden, insbesondere für online-affine Patienten. In diesem Rahmen war es hilfreich, die Gruppengröße im digitalen Raum kleiner zu halten als im Präsenz-Setting, da dies die Gruppendynamik und Aufmerksamkeit verbesserte. Die Distanz zwischen den Teilnehmenden ermöglichte individuelle Hilfestellung nur durch direkte Ansprache. Kürzere Gestaltungseinheiten von 20 bis 30 Minuten waren empfehlenswert, um schnelle Klärung von Fragen und Gefühlen zu ermöglichen.

Besondere Erfordernisse mit Onlineangeboten im arabischen Raum zeigten sich in einer Studie von Dixon et al. [34] mit dort tätigen Kunsttherapeuten. Von den Therapeuten wurde vor allem ausgeführt, dass sowohl Kunsttherapie im arabischen Raum als auch die dortige Nutzung von Online-Diensten noch unzureichend erforscht und ausgestaltet ist.

b) Künstlerische Onlinetherapie aus Sicht der Teilnehmende

(1) Menschen mit Behinderungen

Die Studie von Lewchuk et al. [37] beschäftigte sich mit der Identifikation von möglichen Hindernissen beim Übergang von Kunsttherapie in Präsenz zu Onlineangeboten für Erwachsene mit milden bis gemäßigten intellektuellen Entwicklungsstörungen. In dieser Untersuchung war es wesentlich, eine Grundlage für die bereits etablierte Nutzung und Schwierigkeiten dieser Bevölkerungsgruppe mit digitalen Räumen und digitaler Technologie zu schaffen. Folgende Themenbereiche wurden in einer thematischen Analyse der Interviews und durch Beobachtungen herausgearbeitet: Auswirkungen von Defiziten bei der digitalen Kompetenz, soziale Interaktionen im Internet, positive und neuartige Erfahrungen der Klienten, Wissen gleich Autonomie, digitaler Besucher und Rolle des Betreuers. Ein positives Ergebnis war, dass die Teilnehmende während ihrer Programmzeit anscheinend mehr Selbstvertrauen und mehr soziale Kontakte zu anderen hatten und sich mehr mit digitaler Kunst beschäftigten. Die Ergebnisse zeigen, wie der Mangel an digitaler Integration zu unnötigen Barrieren für Erwachsene mit Entwicklungsstörungen führen kann. Eine Unterstützung durch Begleiter (Bachelor-Studierende) beim Zugang zu Online-Kunsttherapie und digitaler Kunsttherapie erwies sich als hilfreich [37].

In der Studie von Taylor et al. [38] mit Menschen mit erworbener Hirnverletzung durch vorangegangenen Schlaganfall zeigte sich, dass die Künstlerische Unlinetherapien die Möglichkeit wertvoller sozialer Interaktion und Gemeinschaft bot, die Verarbeitung der Identität als Schlaganfallüberlebende unterstützte und die Entwicklung kollektiver Wirksamkeit förderte. Technische und unterstützende Maßnahmen durch Begleiter waren auch bei dieser Zielgruppe notwendig, um den Wert von Online- und Präsenzveranstaltungen zu maximieren und ein Gemeinschaftsgefühl zu schaffen. Herausforderungen wie die digitale Kluft, Ressourcenmangel und der Zugang zur Rehabilitation müssten verbessert werden. Als wesentliche unterstützende Maßnahme wurde eine flexible Programmgestaltung angesehen, da sich auf diese Weise die Therapie an die Bedürfnisse der Teilnehmende zielgruppengerechter anpassen konnte und digitale Barrieren umgangen werden konnten. Durch eine Kombination aus digitalen und persönlichen Angeboten (durch Videotelefonate) konnte den vielfältigen Bedürfnissen der Schlaganfallbetroffenen besser gerecht werden.

(2) Als Angebot der Gesundheitsförderung

In einer Studie mit älteren Menschen [31], [32] dienten digitale Fotos als projektive visuelle Reize, die Erzählungen der Teilnehmende hervorriefen und emotionales Erleben förderten. Die hochaltrigen Menschen erlebten Freude bei der künstlerischen Aktivität und positive, sichere Interaktionen mit dem Therapeuten. Die Verarbeitung von Lebenserfahrungen und die Entwicklung einer integrativen Lebenssicht wurden durch die Erstellung von Fotocollagen gefördert [31]. In einer zusätzlichen Untersuchung der Ausdrucksformen der Spiritualität mit den gleichen Probanden [32] ergaben sich vier Hauptkategorien von Ausdrucksformen: die Verbundenheit mit sich selbst, die Verbundenheit mit anderen, die Verbundenheit mit der Umwelt und die Verbundenheit mit dem Transzendenten. Die Fotos regten das spontane Denken an, brachten persönliche Inhalte hervor und enthüllten die Vielschichtigkeit der Spiritualität. Die verschiedenen Bereiche der Spiritualität nähren einander. Die Form dieses Onlineangebotes trug zur spirituellen Betreuung älterer Menschen in sozialer Isolation bei und kann der Unterstützung in der Palliativpflege dienen [32].

Die Studie von Tucker et al. [33] ergab, dass Online-Angebote auf Gemeindeebene (Community Assets) eine wertvolle Peer-Unterstützung in Zeiten der Isolation darstellten. Hybride Unterstützung, die sowohl digitale als auch persönliche Komponenten (Videotelefonate) umfasst, erwies sich als vorteilhaft für größere Inklusivität. Digitale Community-Ressourcen können somit die Inklusivität erhöhen, indem sie den Zugang auf eine Weise erleichtern, die die Teilnahme sicher und geschützt erscheinen lässt. Andererseits kann erhöhte Inklusivität auf Kosten der Stärke der Unterstützung und der Intimität gehen.

In einer quantitativ angelegten Studie mit qualitativen Anteilen von Roy et al. [29] an einer Kunsthochschule („a.l.s.o.b.-Projekt“) wurde untersucht, ob künstlerische Onlinebegleitung während der Lockdownsituation in der Corona-Pandemie interessierte Teilnehmende unterstützen konnte, Stress zu reduzieren, das Wohlbefinden zu steigern und sich besser in Verbindung zu fühlen. Die Rekrutierung der Teilnehmende erfolgte über verschiedene Kanäle: Social Media, private Netzwerke, Hochschulverteiler und externe Kooperationspartner wie poststationäre Patienten-Selbsthilfegruppen und Kliniken. Die kunsttherapeutisch orientierten Interventionen führten zu einer deutlichen Verbesserung gesundheitlicher Parameter. So wurde eine signifikante aktuelle Stressreduktion (p=.001) erzielt sowie eine Steigerung des habituellen Wohlbefindens, der Stimmung (einschließlich ängstlicher und depressiver Affekte) und der Verbundenheit (jeweils p=.001) über die letzten vier Wochen nach der Intervention. Zusätzlich wurde eine Steigerung des ästhetischen Erlebens ermittelt.

Wirkfaktorenanalyse

In der folgenden Übersicht (Tabelle 2 [Tab. 2]) werden im Hinblick auf eine Analyse der Ergebnisse unterschiedlicher Zielgruppen diese Resultate allgemeinen Wirkfaktoren zugeordnet. Allgemeine Wirkfaktoren der Psychotherapie können übergeordnet für alle therapeutischen Formate herangezogen werden [39]. Dabei wird in diesem Artikel die Wirkfaktoreneinteilung nach Grencavage und Norcross [9] verwendet. Die Autoren nennen die folgenden allgemeinen Wirkfaktoren:

  • Patientenmerkmale: Eigenschaften und Verhaltensweisen, insbesondere das aktive Hilfesuchen und positive Therapieerwartungen
  • Therapeutenmerkmale: Eigenschaften und Kompetenzen der Therapeuten wie Wertschätzung, Empathie, der Aufbau positiver Therapieerwartungen und der Status als anerkannter Heiler
  • Veränderungsprozesse: therapeutische Veränderungen und Zwischenschritte beim Patienten wie Katharsis, Desensibilisierung, Einsicht und der Aufbau von Verhaltenskompetenzen
  • Behandlungsstruktur: Orientierung an einer Therapietheorie, Verwendung von Techniken/Ritualen, Schaffen eines heilenden Umfelds, Kommunikation (verbal und nonverbal)
  • Therapiebeziehung: interaktionelle Wirkfaktoren wie die therapeutische Zusammenarbeit (Therapieallianz) und die Bearbeitung von Übertragungsprozessen

Die Übersicht (Tabelle 2 [Tab. 2]) zeigt Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei Rahmenbedingungen und Effekten künstlerischer Onlinetherapie je nach Zielgruppe, insbesondere im Hinblick auf die allgemeinen Wirkfaktoren nach Grencavage und Norcross [9].

Aus künstlerisch-therapeutischer Sicht lassen sich bei den ermittelten Veränderungsprozessen und der Behandlungsstruktur nach der Einteilung von Grencavage und Norcross [9] (s. Tabelle 2 [Tab. 2]) zusätzlich spezifische kunsttherapeutische Wirkfaktoren extrahieren [12], [16], [40]. Wie die künstlerisch-therapeutische Literatur bereits aufgezeigt hat, gehören zu den spezifischen Wirkfaktoren u.a. die Stimulation von Symbolisierungsfähigkeit und Imagination, die Förderung von Gemeinschaftsgefühl und Selbstwirksamkeit durch Gestalten in der Gruppe, Möglichkeiten zur Kommunikation über ein Ausdrucksmedium, die Anregung von Kreativität, Spiel und Regression [12], [16], [20], Kunst zur Schönheit und als authentischer Ausdruck mit dem Ziel der Integration/Leib-Seele Einheit/Emotionsregulation [40].

In den Studien dieser Übersichtsarbeit zeigten sich in den Ergebnissen insbesondere die spezifischen kunsttherapeutischen Wirkfaktoren der Problembewältigung durch künstlerische Aktivität bei den Therapeuten, soziale Interaktion und Schaffung eines Gemeinschaftsgefühls, positive Erfahrung mit Kunst bei Menschen mit Behinderung, die Förderung emotionalen Erlebens und Ausdruck von Freude beim Gestalten bei Angeboten zur Gesundheitsförderung.

Im Rahmen des allgemeinen Wirkfaktors „Behandlungsstruktur“ ergaben sich spezifisch auf künstlerische Interventionen bezogen positive Effekte. So wurde die Verwendung bildnerischer Mittel in Form von Fotocollagen, Präsentation digitaler Fotos als projektive visuelle Reize, die Erstellung von Selbstporträts als besonders hilfreich zur Erreichung der Therapieziele hervorgehoben. Die Bereitstellung künstlerischer Materialien, die Reduktion von Material, Gruppengröße und Interventionszeit wurden als wirkungsvoll angesehen, um organisatorische Belange zu vereinfachen und eine individuelle Ansprache der Klienten zu ermöglichen.

Diskussion

Diese systematische Übersichtsarbeit ging den Fragen nach, welche Rahmenbedingungen und Effekte onlinebasierter künstlerischer-kunsttherapeutischer Unterstützungsangebote aktuelle Forschungsergebnisse bei unterschiedlichen Zielgruppen zeigen, welche Erkenntnisse für zukünftige Forschung und Praxis sich daraus ergeben. Der Schwerpunkt der Analyse lag dabei auf den Erkenntnissen neuster Studien aus den Jahren 2021 bis 2024. Die Datenbankrecherche ergab nach eingehender Überprüfung elf Studien, die die Einschlusskriterien erfüllten. Im folgenden Abschnitt werden die Ergebnisse, die für unterschiedliche Zielgruppen ausgewertet wurden, den allgemeinen Wirkfaktoren nach Grencavage und Norcross [9] zugeordnet und in diesem Zusammenhang diskutiert.

Wie Literatur und bisherige Forschungsergebnisse gezeigt haben, bringt die Digitalisierung der therapeutischen Arbeit eine Vielzahl von Chancen und Herausforderungen mit sich, die unterschiedliche Wirkungen auf Patienten- und auf Therapeutenseite evozieren, die sich auf Veränderungsprozesse, Behandlungsstruktur und Therapiebeziehung auswirken. Dabei konnten die Ergebnisse früherer Studien durch die Analyse neuster Untersuchungen weitgehend bestätigt werden. In dieser Übersichtsarbeit wurde verstärkt die Patienten- und Klientensicht mit einbezogen. Die Untersuchung insbesondere der Klientenperspektive wird in der Übersichtsarbeit von Zubala et al. [1], die sich auf die Therapeutenperspektive konzentrierte, ausdrücklich gefordert.

Patientenmerkmale

Aus der Perspektive künstlerischer Therapeuten [2], [30], [34], [35], [36] bieten digitale Therapieformate Patienten ein Gefühl von Sicherheit und geringerer sozialer Stigmatisierung [30], [34]. Der Zugang zur Therapie wird erleichtert, und Familienmitglieder können leichter integriert werden. Durch die mentale Akzeptanz neuer Technologien zeigt sich eine höhere Anpassungsbereitschaft, wobei Unterschiede in den künstlerischen Fähigkeiten weniger sichtbar sind. In einem Praxisbericht von Biro-Hannah [41] zeigte sich ebenfalls, dass nach einem mehrmonatigen wöchentlichen Online-Gruppenangebot die Möglichkeit, in einem geschützten Rahmen auch negative Gefühle äußern zu können, von den Klienten positiv bewertet wurde.

Bei Patienten in der klinischen Nachsorge wurde beobachtet, dass die Patienten im Onlineformat mehr Eigenverantwortung für ihren persönlichen Arbeitsbereich und die künstlerischen Materialien übernehmen müssen als im Präsenzformat. Eine Vorabbereitstellung der benötigten Materialien konnte die Teilnehmende hierbei unterstützten [2].

Insbesondere bei älteren Menschen und bei Menschen mit Einschränkungen [37], [38] ist eine gewisse Online-Affinität hilfreich, Herausforderungen wie die digitale Kluft, d. h. Barrieren und Defizite in der digitalen Kompetenz, zu überwinden. In der Übersichtsarbeit von Turcotte et al. [4] zur Teilnahme an präventiven Gesundheitsangeboten für Personen über 65 Jahre werden unterschiedliche Barrieren benannt, u. a. die Erwartung eines hohen Aufwands bei geringer Wirksamkeit, Probleme im Umgang mit neuen Technologien, sensorische Beeinträchtigungen. Die Studie von Keisari et al. [35] zeigte, dass eine Begleitung durch Familienangehörige oder sonstige Begleiter diese Barrieren überwinden kann. Insgesamt ist bei dieser Zielgruppe ebenfalls ein Gefühl eines geschützteren Zugangs zu beobachten, einer höhere Inklusivität der Klienten, da ihre Kunstwerke zunächst für andere nicht sichtbar sind. Jedoch sind auch negative Auswirkungen zu diskutieren. So formulieren Zubala et al. [1] Nachteile der Inklusivität wie negative Auswirkungen auf die Qualität der Beziehung mit der Folge einer Reduktion von Intimität und Kontaktmöglichkeiten [33].

Therapeutenmerkmale

Wie die untersuchten Studien zeigen, erhalten Therapeuten durch den Einblick in die private Situation der Patienten erweiterte diagnostische Möglichkeiten und profitieren von mehr Kreativität und Flexibilität durch die Nutzung neuer Medien [34]. Dies bietet die Chance zu persönlichem Wachstum und dem Erleben kreativer Selbstwirksamkeit [30], [31], [32]. Psychologische Unterstützung wird als wünschenswert angesehen, spezifische Schulungen, die Entwicklung neuer Ethikrichtlinien, werden für erforderlich gehalten [31].

Insbesondere bei Onlinetherapien und auch in der Begleitung älterer Menschen und Menschen mit Einschränkungen [37], [38] erscheint eine direkte Ansprache der Teilnehmende als ein wesentliches Therapieelement mit dem Ziel, Verbundenheit zu erzeugen. Dabei kann die Einbindung von Familienmitgliedern unterstützend wirken. Eine hohe Flexibilität bei der Anpassung der Angebote an die Bedürfnisse gerade dieser Zielgruppen ist erforderlich, um Gruppenverbundenheit aktiv zu ermöglichen und zu pflegen. Turcotte et al. [4] unterstreichen diesen Sachverhalt als „facilitators“ in der Arbeit mit älteren Menschen.

Veränderungsprozesse

Die Förderung eigener Kreativität und Selbstwirksamkeit durch mehr Flexibilität in der Behandlung, Erschließen neuer Behandlungstechniken und die Verarbeitung von Verlusten hervorgerufen durch die pandemische Situation sind zentrale Aspekte, die von den befragten Therapeuten genannt wurden [35]. Die Neuorientierung bei den Behandlungsmodalitäten bot die Chance zu persönlichem Wachstum und dem Erleben kreativer Selbstwirksamkeit. In diesem Zusammenhang muss jedoch auch die Verlusterfahrung der Therapeuten durch die Pandemie erörtert werden, nämlich der Verlust des gewohnten Behandlungsformats und -raums bei der Arbeit mit Klienten, die zu einer gewissen Skepsis der Therapeuten gegenüber Onlineformaten führte. Diese Verlusterfahrung steht im Einklang mit Ergebnissen anderer Studien über die Auswirkungen der Pandemie auf die Befindlichkeit kreativer Therapeuten [42], [43]. Eine Umfrage von Choudhry und Keane [44] mit amerikanischen Praktikern und Studierenden der Kunsttherapie kurz nach Beginn des Lockdowns bestätigte andererseits die positiven Eindrücke der Therapeuten, die in dieser Übersichtsarbeit ermittelt wurden. So fiel 76% der Therapeuten der Umgang mit Onlineformaten während der Krise nach längerem Gebrauch leichter, 27% nutzten therapeutische Video-Sessions bereits im Mai 2020 kurz nach Beginn der Pandemie.

Künstlerische Therapien sind besonders wertvoll für Klienten, die Schwierigkeiten haben, sich nur mit Worten auszudrücken [45]. Somit ist anzunehmen, dass insbesondere Menschen mit intellektuellen Einschränkungen von dieser Therapieform profitieren. Ebenso besteht bei dieser Zielgruppe ein erhöhter Bedarf an sozialer Interaktion und Gemeinschaft. Die Ergebnisse der Studien von Lewchuk et al. [37] und Taylor et al. [38] verdeutlichen, dass diese Bedürfnisse auch im Rahmen einer Onlinetherapie in Zeiten der Corona-Pandemie erfüllt werden konnten. Bei den Klienten konnte das Identitätserleben und das Erleben kollektiver Wirksamkeit gefördert werden. Die Probanden waren in der Lage, durch die künstlerische Aktivität positive und neue Erfahrungen zu sammeln [37]. Auch Potash et al. [46] formulierten bereits wenige Wochen nach Beginn der Pandemie in einem Bericht zur Situation der Kunsttherapie in pandemischen Zeiten, dass künstlerische Aktivität ein Kontrollgefühl zurückbringt, neue Perspektiven eröffnet, Verbindung und Kommunikation fördert.

In der Studie mit älteren Menschen [31], [32] wurde festgestellt, dass durch die künstlerische Aktivität emotionale Erlebnisse gefördert werden konnten. Es entstand Freude beim künstlerischen Gestalten, gleichzeitig wurde die Verarbeitung von Lebenserfahrungen bei älteren Menschen unterstützt. Eine Verbundenheit mit sich selbst, der Umwelt, mit dem Transzendenten entstand. Wie die Literatur zeigt, haben künstlerisch-therapeutische Interventionen einen hohen Einfluss auf Emotionsregulation und Stressreduktion [13], [18], [47], [48], [49], [50].

In der künstlerischen Onlinebegleitung („a.l.s.o.b.-Projekt“) an einer Kunsthochschule mit dem Ziel der Gesundheitsförderung war es möglich, durch die künstlerischen Aktivitäten eine signifikante Reduktion von Stress, Steigerung der Stimmung, des habituellen Wohlbefindens und der Verbundenheit, sowie eine Steigerung des ästhetischen Erlebens bei Klienten, die sich freiwillig zu diesem salutogenetisch orientierten Angebot gemeldet hatten, zu erzielen [29], [51]. Auch Rankanen [52] stellte in ihrer Studie fest, dass 98% der Klienten eine positive Verbesserung ihrer psychischen Gesundheit empfanden, 82% erkannten positive Auswirkungen auf ihre sozialen Beziehungen und 67% stellten positive körperliche Gesundheitseffekte fest. Eine andere Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen Gesundheitsförderung und Kunsttherapie bei Klienten, die unter Burnout litten, und stellte eine signifikante Steigerung des körperlichen und geistigen Wohlbefindens nach einem kunsttherapeutischen Projekttag fest [11], [20]. Die Ergebnisse der vorliegenden Übersichtsarbeit hinsichtlich des allgemeinen Wirkfaktors „Veränderungsprozesse“ konnten auch durch Studien und Fallberichte bestätigt werden, die sich insbesondere mit den Erfahrungen aus Onlinetherapien beschäftigten. So nennt Kaimal et al. [53] als Ergebnis ihrer qualitativen Studie zur Kunsttherapie in Virtual Reality (VR) positive Emotionen, Spiel und Erkundung, neue Lernerfahrungen, Problemlösung. VR hat das Potenzial, die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden durch Kreativität, gesteigerte Vorstellungskraft, Interaktivität und Problemlösung zu verbessern. Auch von den Online-WorkshopTeilnehmenden bei Biro-Hannah [41] wurden eine Reihe positiver Wirkungen formuliert wie das Empfinden von Glück, Freude, Erfüllung, Zufriedenheit, Freiheit, Entspannung.

Behandlungsstruktur

Insbesondere die Ergebnisse zu diesem allgemeinen Wirkfaktor können die Frage nach den Rahmenbedingungen von künstlerischer Onlinetherapie beantworten. Die künstlerischen Modalitäten bieten zusätzliche Möglichkeiten der Selbsterforschung und des Ausdrucks innerhalb einer therapeutischen Beziehung [36], [45], [53], die auf greifbaren Kunstmaterialien, Musik, verkörperten Bewegungen und Gesten sowie gespielten oder geschriebenen Charakteren und Geschichten basieren. Daher wird die Umstellung auf Onlineformate berufsspezifische Anpassungen an die einzigartigen Merkmale der CATs-Praxis erfordern [30]. Insbesondere die Studie von Ganter-Argast und Bocksch [2] widmete sich der Fragestellung nach den veränderten Rahmenbedingungen von Onlinetherapie. Ihren Ergebnissen nach erfordert die Anpassung an das digitale Format mehr Eigenverantwortung der Teilnehmende. Der persönliche Arbeitsbereich muss durch die Teilnehmende selbst eingerichtet werden. Eine Vorabzusendung von Materialien erscheint weiterführend. Eine Reduktion der Materialien und der Teilnehmendeanzahl zwecks Vereinfachung und besserer Ansprachemöglichkeiten sowie die bevorzugte Verwendung von Materialien aus der bildenden Kunst auf Grund ihrer individuelleren Handhabbarkeit wurde empfohlen. Der Materialaustauschprozess ist insgesamt schwieriger, tiefere Kenntnisse der technischen Möglichkeiten des Online-Mediums sind erforderlich. Die Arbeit in kleinen Gruppen und an individuellen Themen ist möglich, wobei kürzere Gestaltungseinheiten als in Präsenzformaten (20–30 Minuten) bevorzugt werden, um Fragen und Gefühle schnell zu klären. Eine Kombination aus digitalen und persönlichen Angeboten sowie flexible Programmgestaltung sind hilfreich, unterstützt durch technische Maßnahmen der Begleiter. Auch Antwerpen et al. [6] erörtern spezifische methodologische und konzeptionelle Anforderungen an die Online-Therapie, die bereits im Vorfeld eruiert werden sollten. Zu diesen Anforderungen gehören u. a. eine konsequente Auseinandersetzung mit den technischen Möglichkeiten, eine Kontaktaufnahme per E-Mail mit allgemeinen Informationen über Zugang und Ablauf, Nutzung der Videoeinstellungen, Herstellung eines geschützten Rahmens.

Bei der Konzeption von Interventionen sollte möglichst viel „Dreidimensionalität“ in die Online-Therapie integriert werden, z. B. durch „Körperpausen“, die Klienten ermutigen, aufzustehen und sich vom Bildschirm wegzubewegen oder Achtsamkeitsübungen mit gefundenen (Natur-)Objekten, die mit allen Sinnen wahrgenommen werden können [2]. Interventionen wie Selbstporträts, digitale Fotopräsentationen als projektive visuelle Reize und digitale Fotocollagen sind möglich [32], wobei eine hybride Struktur (zusätzlich Videotelefonate), insbesondere bei Menschen mit Einschränkungen, sinnvoll erscheint [38].

Therapiebeziehung

Frühere Forschungsarbeiten deuten ermutigend darauf hin, dass die therapeutische Allianz in verbalen Psychotherapien in einer Online-Umgebung erfolgreich nachgebildet werden kann [54]. Im Fall der Kunsttherapie ist der potenzielle Einfluss der Technologie jedoch nicht auf die Beziehung zwischen Klienten und Therapeut beschränkt, sondern erstreckt sich auf das Wesen der Dreiecksbeziehung, zu der auch das Kunstwerk gehört. Das Verständnis der Auswirkungen digitaler Werkzeuge auf die Dynamik dieser Dreiecksbeziehung und ihres Platzes darin scheint grundlegend zu sein, um das Vertrauen der Kunsttherapeuten in die Einführung digitaler Kunstmedien in Sitzungen zu stärken [1]. Insbesondere wird in Online-Therapieangeboten das Problem des „eye contact dilemma“ diskutiert [55]. Für einen Beziehungsaufbau ist der Blickkontakt elementar. In einem klassischen Videoberatungssetting ist direkter Blickkontakt jedoch schwer möglich. Das Problem des „eye contact dilemma“ und die daraus entstehenden Nachteile für den Therapieerfolg wurden in der Studie von Ganter-Argast und Bocksch [2] bei der Online-Kunsttherapie in der Nachsorge jedoch nicht festgestellt. Positiv war auch, dass eine prozessorientierte Bearbeitung individueller Fragen möglich war. Therapeuten hingegen beschreiben in einer Studie das Konzept des „vierseitigen Reflexionsspiegels“ [36], das Entstehen eines neuen Beziehungsgefüges, bei dem Therapeut und Klient sich selbst sowie einander auf dem Bildschirm sehen. Möglicherweise kann dieses Beziehungsgefüge mögliche Nachteile des fehlenden direkten Blickkontakts ausgleichen.

Die digitale Therapie ermöglicht eine höhere Distanzierungsmöglichkeit der Klienten und fördert mehr verbale Kommunikation, während non-verbale Kommunikation erschwert wird. Kleinere Gruppengrößen ermöglichen eine direktere Ansprache als in Präsenzformaten, was zu einer besseren Gruppendynamik und Aufmerksamkeit sowie zu höherer Verbundenheit führt [2]. Eine verstärkte Anpassung an die Bedürfnisse der Klienten ist erforderlich, wobei sichere Interaktionen mit Therapeuten und weniger Intimität durch höhere Inklusivität gewährleistet werden müssen [33], [38]. In einer Studie von Marmarosh et al. [56] wurde festgestellt, dass Klient:innen nach der Pandemie mehr Vertrauen in Tele-Gruppen zeigten als vor der Pandemie. Die Verbundenheit mit der anleitenden Person erfolgte rascher als zu den Online-Gruppenmitgliedern. Somit kommt der anleitenden Person die wichtige Rolle der Beziehungsanbahnung zu, indem Gruppenverbundenheit aktiv ermöglicht und gepflegt wird [29], [51].

Limitationen

Die Studienauswahl konzentrierte sich auf die letzten fünf Jahre, vornehmlich auf die Zeit der Coronapandemie, weil zu erwarten war, dass gerade in diesem Zeitraum besonders viele Onlinetherapien durchgeführt wurden und vermehrt mit Studienergebnissen zu rechnen war. Andererseits stellt sich die Frage der Übertragbarkeit dieser Ergebnisse auf Nicht-Pandemiezeiten. So könnten die Teilnehmende gerade während der Pandemie besonders motiviert gewesen sein auf Grund des Mangels an Präsenzangeboten. Frühere Studien zu Nicht-Pandemiezeiten zeigten jedoch, dass online sehr gut eine therapeutische Allianz hergestellt werden kann [54].

Hinsichtlich des Forschungsdesigns wurden überwiegend qualitative Studien durchgeführt, meist mit geringer Stichprobengröße. Eine weitere Einschränkung dieser Überprüfung ist, dass die Studien aufgrund weiterer unterschiedlicher Bedingungen (Alter, Indikation, Nationalität, Therapiedauer) und die unterschiedlichen Arten der kunstbasierten Interventionen (die jeweils eine andere Kombination künstlerischer Aktivitäten und manchmal auch anderer Methoden wie achtsamkeitsbasierte Kunsttherapie umfassten) schwerer vergleichbar waren, wenn auch andererseits wertvolle Informationen zur Beantwortung der Forschungsfrage zur Befindlichkeit unterschiedlicher Zielgruppen erhoben werden konnten.

Menschen, die unter besonderen Bedingungen eine therapeutische Unterstützung benötigen. Hierzu zählen die Überwindung geografischer, zeitlicher, persönlichkeits-, situations- bzw. krankheitsbedingter Hindernisse, die den Zugang zu Unterstützungsangeboten bzw. Therapien in Präsenz erschweren. Wie die ausgewählten Untersuchungen zeigten, können dies Patienten in der klinischen Nachsorge, hochbetagte Menschen mit ihren Familienmitgliedern als Begleiter, Menschen mit Behinderungen in Begleitung, gesundheitsförderliche Unterstützungsangebote in Gemeinden, Hochschulen, sein. Für die weitere Forschung wäre eine Untersuchung mit den gleichen und weiteren Zielgruppen hilfreich, um die bisherigen Ergebnisse systematisch nach vorher festgelegten Zielkriterien zu untersuchen. Gleichfalls wäre zu untersuchen, für welche Zielgruppen sich Onlinetherapien weniger oder nicht eignen. So zeigte sich in der Untersuchung von Shaw [57] mitunter Anorexie leidenden Mädchen, dass diese sich durch das Gesehen werden und sich selbst sehen im Onlinesetting stark unter Stress gesetzt fühlten und das Angebot für sie zuweilen unerträglich wurde. Daher wäre es grundsätzlich weiterführend zu untersuchen, inwieweit sich das Onlineformat für Kinder und Jugendliche eignet, welche spezifischen Rahmenbedingungen zu beachten und welche Effekte mit welchen Künstlerischen Therapieverfahren erzielbar sind. Hinsichtlich des Forschungsdesigns wäre es hilfreich, zusätzlich zum qualitativen Setting auch mehr quantitative Studien oder im Mixed- Methods-Design konzipierte Studien durchzuführen, die einen längeren Zeitraum umfassen, ggfs. ein Follow-up beinhalten, um die Veränderung gesundheitlicher Parameter aktuell und habituell zu untersuchen. Hinsichtlich der Entwicklung von Interventionen sollten die Möglichkeiten und notwendige Anpassungen für ein Onlinesetting weiterhin beachtet und für Praktiker verstärkt dokumentiert werden. Eine flächendeckende Integration von Inhalten zur Onlinetherapie in Module der künstlerisch-therapeutischen Ausbildung und Weiterbildung, die sich mit den spezifischen Rahmenbedingungen, Interventionen, Effekten, ethischen Erfordernissen beschäftigen, erscheint notwendig. Wenn auch das Onlinesetting im Hinblick auf künstlerischen Ausdruck und bezogen auf die gegenseitige Wahrnehmung von Therapeut und Klient auf Grund der räumlichen Distanz nicht die gleichen Möglichkeiten bieten kann wie eine Präsenztherapie, so stellt eine künstlerische Onlinebegleitung eine wichtige Alternative bei bestimmten Bedingungen dar. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die digitale Therapie sowohl erhebliche Vorteile als auch Herausforderungen mit sich bringt, die sorgfältig adressiert werden müssen, um die bestmöglichen Therapieergebnisse für unterschiedliche Patientengruppen zu erzielen.

Ausblick

Diese systematische Literaturübersicht unterstreicht die große Bedeutung künstlerischer Onlinebegleitung, insbesondere für Menschen, die unter besonderen Bedingungen eine therapeutische Unterstützung benötigen. Hierzu zählen die Überwindung geografischer, zeitlicher, persönlichkeits-, situations- bzw. krankheitsbedingter Hindernisse, die den Zugang zu Unterstützungsangeboten bzw. Therapien in Präsenz erschweren. Wie die ausgewählten Untersuchungen zeigten, können dies Patienten in der klinischen Nachsorge, hochbetagte Menschen mit ihren Familienmitgliedern als Begleiter, Menschen mit Behinderungen in Begleitung, gesundheitsförderliche Unterstützungsangebote in Gemeinden, Hochschulen, sein. Für die weitere Forschung wäre eine Untersuchung mit den gleichen und weiteren Zielgruppen hilfreich, um die bisherigen Ergebnisse systematisch nach vorher festgelegten Zielkriterien zu untersuchen. Gleichfalls wäre zu untersuchen, für welche Zielgruppen sich Onlinetherapien weniger oder nicht eignen. So zeigte sich in der Untersuchung von Shaw [57] mitunter Anorexie leidenden Mädchen, dass diese sich durch das Gesehen werden und sich selbst sehen im Onlinesetting stark unter Stress gesetzt fühlten und das Angebot für sie zuweilen unerträglich wurde. Daher wäre es grundsätzlich weiterführend zu untersuchen, inwieweit sich das Onlineformat für Kinder und Jugendliche eignet, welche spezifischen Rahmenbedingungen zu beachten und welche Effekte mit welchen Künstlerischen Therapieverfahren erzielbar sind. Hinsichtlich des Forschungsdesigns wäre es hilfreich, zusätzlich zum qualitativen Setting auch mehr quantitative Studien oder im Mixed- Methods-Design konzipierte Studien durchzuführen, die einen längeren Zeitraum umfassen, ggfs. ein Follow-up beinhalten, um die Veränderung gesundheitlicher Parameter aktuell und habituell zu untersuchen. Hinsichtlich der Entwicklung von Interventionen sollten die Möglichkeiten und notwendige Anpassungen für ein Onlinesetting weiterhin beachtet und für Praktiker verstärkt dokumentiert werden. Eine flächendeckende Integration von Inhalten zur Onlinetherapie in Module der künstlerisch-therapeutischen Ausbildung und Weiterbildung, die sich mit den spezifischen Rahmenbedingungen, Interventionen, Effekten, ethischen Erfordernissen beschäftigen, erscheint notwendig. Wenn auch das Onlinesetting im Hinblick auf künstlerischen Ausdruck und bezogen auf die gegenseitige Wahrnehmung von Therapeut und Klient auf Grund der räumlichen Distanz nicht die gleichen Möglichkeiten bieten kann wie eine Präsenztherapie, so stellt eine künstlerische Onlinebegleitung eine wichtige Alternative bei bestimmten Bedingungen dar. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die digitale Therapie sowohl erhebliche Vorteile als auch Herausforderungen mit sich bringt, die sorgfältig adressiert werden müssen, um die bestmöglichen Therapieergebnisse für unterschiedliche Patientengruppen zu erzielen.

Anmerkungen

Interessenkonflikte

Die Autoren erklären, dass sie keine Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel haben.

Hinweis zur Sprachverwendung

Der vereinfachten Lesbarkeit halber wird nur die maskuline Form verwendet, gemeint sind jedoch alle Geschlechter.

ORCID


Literatur

[1] Zubala A, Kennell N, Hackett S. Art Therapy in the Digital World: An Integrative Review of Current Practice and Future Directions. Front Psychol. 2021;12:595536. DOI: 10.3389/fpsyg.2021.600070
[2] Ganter-Argast C, Bocksch C. Onlinebasierte, ambulante Kunsttherapiegruppe. Psychotherapie. 2023;68(4):262-70. DOI: 10.1007/s00278-023-00671-9
[3] Mattson DC. Usability assessment of a mobile app for art therapy. Arts Psychother. 2015;43:1-6. DOI: 10.1016/j.aip.2015.02.005
[4] Turcotte S, Bouchard C, Rousseau J, DeBroux Leduc R, Bier N, Kairy D, et al. Factors influencing older adults' participation in telehealth interventions for primary prevention and health promotion – A rapid review. Australas J Ageing. 2023. DOI: 10.1111/ajag.13244
[5] Malchiodi CA. Handbook of Art Therapy. New York: Guilford; 2011.
[6] Antwerpen L, del Palacio Lorenzo A, Masuch J, Brons S, Gosch M, Singler K. Online-Kunsttherapie in Zeiten von Corona? Eine Darstellung digitaler Kunsttherapie am Beispiel Spanien. GMS J Art Ther. 2023;5:Doc01. DOI: 10.3205/jat000029
[7] Tabaei S. Challenges and Benefits of Tele-therapy and Using Digital World in Art Therapy Practice: An Integrative Review. Com.press. 2022;5(2):60-73. Available from: https://www.ceeol.com/search/article-detail?id=1086449
[8] Grawe K, Donati R, Bernauer F. Psychotherapie im Wandel - von der Konfession zur Profession. Göttingen: Hogrefe; 1994.
[9] Grencavage LM, Norcross JC. Where Are the Commonalities Among the Therapeutic Common Factors? Prof Psychol Res Pract. 1990;21(5):372-8.
[10] Koch SC. Arts and Health: Active factors and a theory framework of embodied aesthetics. Arts Psychother. 2017;54:85-91.
[11] Oepen R, Gruber H. Ein kunsttherapeutischer Projekttag zur Gesundheitsförderung bei Klienten aus Burnout-Selbsthilfegruppen - eine explorative Studie. Psychother Psychosom Med Psychol. 2014;64(7):268-74. DOI: 10.1055/s-0033-1358725
[12] Oepen R. Kunsttherapie zur Steigerung des Wohlbefindens in Prävention und Gesundheitsförderung. Berlin: Dr. Hans-Jürgen Brandt EB-Verlag e.K..
[13] Fancourt D, Finn S. What Is the Evidence on the Role of the Arts in Improving Health and Well-Being? A Scoping Review. Geneva: WHO Press; 2019.
[14] Lücke S. Tiefenpsychologisch fundierte Kunsttherapie in der Behandlung tramabedingter Störungen. In: von Spreti F, editor. Kunsttherapie bei psychischen Störungen. München: Urban & Fischer; 2005. p. 140-51.
[15] Killick K, Schaverien J. Art, Psychotherapy and Psychosis. London and New York: Routledge; 1997.
[16] Gruber H. Wirkfaktoren in den Künstlerischen Therapien – Was wissen wir und wie lässt sich das untersuchen? Psychol Med. 2008;19:13ff.
[17] Riedel I, Henzler C. Maltherapie: Eine Einführung auf der Basis der analytischen Psychologie von C. G. Jung. Stuttgart: Kreuz; 2004.
[18] Gruber H, Oepen R. Emotion regulation strategies and effects in art-making: A narrative synthesis. Arts Psychother. 2018;59:65-74. DOI: 10.1016/j.aip.2017.12.006
[19] Koch SC, Weidinger-von der Recke B. Traumatised refugees: An integrated dance and verbal therapy approach. Arts Psychother. 2009;36(5):289-96. DOI: 10.1016/j.aip.2009.07.002
[20] Oepen R, Gruber H. Kunsttherapeutische Interventionen bei Burnout in Prävention und Gesundheitsförderung. Musik Tanz Kunstther. 2012;23(3):117-33.
[21] Machi LA, McEvoy BT. The literature review: Six steps to success. 3rd ed. Thousand Oaks (CA): Corwin; 2016.
[22] Moher D, Liberati A, Tetzlaff J, Altman DG. Preferred reporting items for systematic reviews and meta-analyses: The PRISMA statement. PLOS Med. 2009;6(7):1-6. DOI: 10.1371/journal.pmed.1000097
[23] Al-Nawas B, Baulig C, Krummenauer F. Von der Übersichtsarbeit zur Metaanalyze - Möglichkeiten und Risiken. Z Zahnärztl Impl. 2010;26:400-4.
[24] Huang X, Huang X, Lin J, Demner-Fushman D. Evaluation of PICO as a knowledge representation for clinical questions. AMIA Annu Symp Proc. 2006;2006:359-63.
[25] Grant MJ, Booth A. A typology of reviews: an analysis of 14 review types and associated methodologies. Health Info Libr J. 2009;26(2):91-108. DOI: 10.1111/j.1471-1842.2009.00848.x
[26] National Center for Biotechnology Information. Review Literature as Topic; 2008 [cited 2024 Sep 4]. Available from: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/mesh/?term=Review%20literature
[27] Edwards J, Kaimal G. Using meta-synthesis to support application of qualitative methods findings in practice: A discussion of meta-ethnography, narrative synthesis, and critical interpretive synthesis. Arts Psychother. 2016;51:30-5.
[28] Machado CB. The screen as a meeting point – reflections from Argentina on the practice of online dance movement therapy during the global COVID-19 pandemic. GMS J Art Ther. 2021;3:Doc03. DOI: 10.3205/jat000012
[29] Roy C, Paul E, Rolff H, Koch SC. a.l.s.o.b. – Ein Forschungsprojekt zur Wirksamkeit künstlerischer Onlinebegleitung während des Lockdowns 2021. In: Masuch J, Singler K, editors. Kunsttherapie - Chancen und Herausforderungen der Forschung. 1st ed. Frankfurt am Main: Mabuse-Verlag; 2023. p. 169-72.
[30] Feniger-Schaal R, Orkibi H, Keisari S, Sajnani NL, Butler JD. Shifting to tele-creative arts therapies during the COVID-19 pandemic: An international study on helpful and challenging factors. Arts Psychother. 2022;78:101898. DOI: 10.1016/j.aip.2022.101898
[31] Keisari S, Piol S, Elkarif T, Mola G, Testoni I. Crafting Life Stories in Photocollage: An Online Creative Art-Based Intervention for Older Adults. Behav Sci (Basel). 2021;12(1). DOI: 10.3390/bs12010001
[32] Keisari S, Piol S, Orkibi H, Elkarif T, Mola G, Testoni I. Spirituality During the COVID-19 Pandemic: An Online Creative Arts Intervention With Photocollages for Older Adults in Italy and Israel. Front Psychol. 2022;13:897158. DOI: 10.3389/fpsyg.2022.897158
[33] Tucker I, Easton K, Prestwood R. Digital community assets: Investigating the impact of online engagement with arts and peer support groups on mental health during COVID-19. Sociol Health Illn. 2023;45(3):666-83. DOI: 10.1111/1467-9566.13620
[34] Dixon M, Gómez-Carlier N, Powell S, El-Halawani M, Weber AS. Art Therapy Service Provision during the COVID-19 Pandemic in the Gulf Cooperation Council (GCC). QScience Connect. 2022;2022(3). DOI: 10.5339/connect.2022.medhumconf.32
[35] Keisari S, Feniger-Schaal R, Butler JD, Sajnani N, Golan N, Orkibi H. Loss, adaptation and growth: The experiences of creative arts therapists during the Covid-19 pandemic. Arts Psychother. 2023;82:101983. DOI: 10.1016/j.aip.2022.101983
[36] Shamri-Zeevi L, Katz A. The four-sided reflecting mirror: art therapists’ self-portraits as testimony to coping with the challenges of online art therapy. Int J Art Ther. 2022;27(3):112-20. DOI: 10.1080/17454832.2021.2001024
[37] Lewchuk DR, D’Amico M, Timm-Bottos J. Digital Footprints: Exploring Digital Inclusion in Adults With Developmental Disabilities. Can J Art Ther. 2021;34(2):52-62. DOI: 10.1080/26907240.2021.1982171
[38] Taylor ER, Estevao C, Jarrett L, Woods A, Crane N, Fancourt D, et al. Experiences of acquired brain injury survivors participating in online and hybrid performance arts programmes: an ethnographic study. Arts Health. 2024;16(2):189-205. DOI: 10.1080/17533015.2023.2226697
[39] Pfammatter M, Junghan UM, Tschacher W. Allgemeine Wirkfaktoren der Psychotherapie: Konzepte, Widersprüche und eine Synthese. Psychotherapie. 2012;17(1):17-31.
[40] Koch SC. Was hilft, was wirkt? Z Sportpsychol. 2017;24(2):40-53. DOI: 10.1026/1612-5010/a000191
[41] Biro-Hannah E. Community adult mental health: mitigating the impact of Covid-19 through online art therapy. Int J Art Ther. 2021;26(3):96-103. DOI: 10.1080/17454832.2021.1894192
[42] Atsmon A, Pendzik S. The clinical use of digital resources in drama therapy: An exploratory study of well-established practitioners. Drama Ther Rev. 2020;6(1):7-26. DOI: 10.1386/dtr000131
[43] Gereb Valachine Z, Karsai SA, Dancsik A, de Oliveira Negrao R, Fitos MM, Cserjesi R. Online self-help art therapy-based tasks during COVID-19: Qualitative study. Artelor Ther. 2021:1-7.
[44] Choudhry R, Keane C. Art Therapy During A Mental Health Crisis: Coronavirus Pandemic Impact Report. Arlington, VA: American Art Therapy Association; 2020. Available from: https://arttherapy.org/blog-coronavirus-impact-report/
[45] Orkibi H, Ben-Eliyahu A, Reiter-Palmon R, Testoni I, Biancalani G, Murugavel V, et al. Creative adaptability and emotional well-being during the COVID-19 pandemic: An international study. Psychol Aesthet Creat Arts. 2024;18(2):245-55. DOI: 10.1037/aca0000445
[46] Potash JS, Kalmanowitz D, Fung I, Anand SA, Miller GM. Art Therapy in Pandemics: Lessons for COVID-19. Art Ther. 2020;37(2):105-7. DOI: 10.1080/07421656.2020.1754047
[47] Boehm K, Cramer H, Staroszynski T, Ostermann T. Arts therapies for anxiety, depression, and quality of life in breast cancer patients: a systematic review and meta-analysis. Evid Based Complement Alternat Med. 2014;2014:103297. DOI: 10.1155/2014/103297
[48] Dannecker K, Herrmann U. Warum Kunst? Über das Bedürfnis Kunst zu schaffen. Berlin: MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft; 2017.
[49] Martin L, Oepen R, Bauer K, Nottensteiner A, Mergheim K, Gruber H, et al. Creative Arts Interventions for Stress Management and Prevention - A Systematic Review. Behav Sci (Basel). 2018;8(2). DOI: 10.3390/bs8020028
[50] Oepen R, Gruber H. Art-based interventions and art therapy to promote health of migrant populations - a systematic literature review of current research. Arts Health. 2024;16(3):266-84. DOI: 10.1080/17533015.2023.2252003
[51] Roy C, Rolff H, Paul E, Wörner A, Koch SC. Das a.l.s.o.b.-Projekt: Veränderung von Stress, Befindlichkeit, Verbundenheit und ästhetischem Erleben nach studentisch begleiteten kunstbasierten online-Gruppen während der Covid-19-Pandemie. GMS J Art Ther. 2025;7:Doc03. DOI: 10.3205/jat000043
[52] Rankanen M. Clients’ experiences of the impacts of an experiential art therapy group. Arts Psychother. 2016;50:101-10.
[53] Kaimal G, Carroll-Haskins K, Berberian M, Dougherty A, Carlton N, Ramakrishnan A. Virtual Reality in Art Therapy: A Pilot Qualitative Study of the Novel Medium and Implications for Practice. Art Ther. 2020;37(1):16-24. DOI: 10.1080/07421656.2019.1659662
[54] Sucala M, Schnur JB, Constantino MJ, Miller SJ, Brackman EH, Montgomery GH. The therapeutic relationship in e-therapy for mental health: a systematic review. J Med Internet Res. 2012;14(4):e110. DOI: 10.2196/jmir.2084
[55] Engelhardt E, Engels S. Einführung in die Methoden der Videoberatung. Fachzeitschrift für Onlineberatung und computervermittelte Kommunikation. 2021;17(1):5-19. Available from: https://www.e-beratungsjournal.net/wp-content/uploads/2021/06/engelhardt_engels.pdf
[56] Marmarosh CL, Robelo A, Solorio A, Xing F. Miles Away. In: Weinberg H, Rolnick A, Leighton A, editors. The Virtual Group Therapy Circle. New York: Routledge; 2023. p. 40-51.
[57] Shaw L. ‘Don’t look!’ An online art therapy group for adolescents with Anorexia Nervosa. Int J Art Ther. 2020;25(4):211-7. DOI: 10.1080/17454832.2020.1845757